Die Supercars von London

Vorfahrt. Fuhrpark vor einem Afternoon Club in Londons City.
Vorfahrt. Fuhrpark vor einem Afternoon Club in Londons City.(c) Getty Images (Carl Court)
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Wenn zu viel Geld für Autos ausgegeben wird, erhöht das nicht immer die Stilnoten.

Das Geld liegt auf der Straße. Genauer: auf den Straßen Londons, wo es fährt, meistens aber parkt. Wie keine andere Metropole ist die englische Hauptstadt zu einem temporären Hotspot für Supercars geworden. Das gilt jedenfalls für Londons City, in der jeden Sommer ein Schaulaufen der teuersten, schnellsten und exklusivsten Autos der Welt stattfindet. Noble Autos waren in den besseren Bezirken der Stadt ja immer schon viele zu sehen, doch die Welle an ultrateurem Blech, die nach Ende des Fastenmonats Ramadan über Chelsea und Knightsbridge hereinbricht, dürfte auch unter den hochpreisigen Lagen ziemlich einzigartig sein. Es ist die Saison, in der Araber aus dem Mittleren Osten in die Stadt strömen, um der Hitze in ihrer Heimat zu entgehen (der absolut heißeste Hochsommertag in London ist mit einem durchschnittlichen Tag zur gleichen Zeit in Kuwait City nicht vergleichbar). Im üblicherweise durchaus umfangreichen Gepäck haben die meist – oder ausschließlich – männlichen Sprosse ihre jüngsten Erwerbungen auf vier Rädern dabei. Die scheinen nur darauf gewartet zu haben, dem staunenden Straßenpublikum vorgeführt zu werden. „Supercars of London“, das ist mittlerweile ein Kult, den nicht wenige Touristen als hochkarätige Attraktion in ihr Dreitagesprogramm eingebaut haben. Und manche sind auf diese Weise sogar selbst zu viel Geld gekommen.

YouTube-Mitnascher. Der 25-jährige Paul Wallace zum Beispiel, der fährt seit zwei Jahren selbst mit einem Supercar durch die Gegend. Das Geld dafür hat ihm sein YouTube-Channel „Supercars of London“ eingebracht. Seit mittlerweile zehn Jahren ist der Autofan auf den Straßen seiner Heimatstadt unterwegs und filmt die Auftritte der schrillen Gefährte vor den Stores von Fendi, Gucci und Prada. Mit einer Anhängerschaft von 500.000 Abonnenten kommt man auch auf diese Weise zu gepflegtem Wohlstand. Eine der meistgesehenen Folgen ist übrigens jene, in der Wallace seinen eigenen Lamborghini beim Händler abholt.

Die reichen Araber haben allerdings nicht nur Fans in der Stadt. Auch wenn sich Londoner traditionell weltoffen und tolerant geben, geht die allsommerliche Protzparade manchen gegen den Strich. Sei es die völlig unbekümmerte Zurschaustellung obszönen Reichtums, seien es das notorische Parken in zweiter Spur oder gelegentliche Tempoexzesse – die Stadtregierung verspürte bereits den Druck, dem großen Open-Air-Schauraum Grenzen zu setzen. So besteht seit einigen Jahren die Pflicht, die exotischen Kennzeichen um auch für Park Wardens lesbare zu ergänzen. Nicht ganz stilgerecht werden die meist einfach aufgeklebt. Es gibt auch Bemühungen, verhängte Bußgelder tatsächlich einzutreiben, und ein Abschleppwagen ist immer in der Gegend, um einen dreisten Falschparker vor Harrods schnell zu entfernen.

Der Concierge plagt sich.
Der Concierge plagt sich.(c) Getty Images (Carl Court)

Große Kilometerleistungen erbringen die Autos meist ohnehin nicht, da der Verkehr in der Stadt berüchtigt ist und der Stau in einem Ferrari nicht viel erträglicher ist, nur weil man ständig von aufgeregten Touristen fotografiert wird. Die meiste Zeit über parken die Geschosse friedfertig und geduldig vor den ersten Häusern der Stadt, allen voran dem altehrwürdigen Dorchester-Hotel. Dass die Autos dennoch schon viel unterwegs waren, liegt an der Anreise. Die arabischen Supercars reisen mit dem Jet. Qatar Airways haben für den Transport der Lambos, Porsches und Rolls einen Airbus 330 im Dienst, der sie aus Kuwait, den Emiraten, Katar und Saudiarabien nach Heathrow schafft – zum Ticketpreis von wohlfeilen 20.000 Pfund.

Zwiespältig. Aus Sicht von Autoenthusiasten wird das alljährliche Spektakel zwiespältig beurteilt. Es hat seinen Reiz, Autos, von denen es auf der ganzen Welt nur eine Handvoll Exemplare gibt, in mehr oder minder freier Wildbahn auf der Straße zu sehen. Andererseits ist mit einem McLaren im Ortsgebiet nicht viel anzufangen – außer Posen natürlich. Vor allem leiden zuweilen die Stilnoten, wenn gar zu viel Geld für Autos ausgegeben wird. Denn der wahre Sport heißt Auffallen, und in dieser Disziplin reicht ein Supercar von der Stange, auch wenn es so viel kostet wie ein schönes Häuschen, keineswegs für vordere Plätze. Da müssen noch die Tuner und Veredler ran, gern auch mit Beschichtungen aus Gold und Silber, bis das Teil ein unverkennbares Einzelstück ist, dessen Spuren der vermögende Besitzer dann auf den vielen Kanälen der Social Media triumphierend verfolgen kann. Denn was nicht geknipst, geliked und geshared wird, ist ungeachtet seines vielleicht astronomischen Kaufpreises völlig wertlos – sozusagen eine Schmach für die stolzen Herren der modernen Karawanen.

Tipp

Nach dem Fastenmonat Ramadan im Hochsommer beginnt in Londons City die Saison der Supercars. Das Spektakel ist vor allem in Chelsea und Knightsbridge und vor dem Dorchester gut zu beobachten. Und es kostet nichts. www.youtube.com/user/supercarsoflondon

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