Die Ich-Pleite: Trachtenjanker

Wenn man zu Oktoberfestzeiten in München ist, kann man sich über den Fortschritt der europäischen Zivilisation freuen.

All die starken Bayern, die vor 1300 Jahren mit Äxten und Speeren den Alpenraum eroberten, benützen ihre Oberarmmuskeln heute nur mehr dafür, Maßkrüge zum Mund zu führen. Wenn sie das ein paar Dutzend Mal gemacht haben und nachher in ihren Lederhosen, Trachtenjankern und Dirndln in den Regionalzug Richtung Salzburg/Kufstein einsteigen, haben sie es immer noch lustig. Ein friedliches Bild! Bei genauerer Betrachtung sind die Trachtenjanker keine normalen Trachtenjanker, sondern trachtenjankerförmige Jacken aus Softshell-Material, und die Lederhosen speziell atmungsaktiv. Sehr praktisch! Vor allem, weil sieben Achtel der Fahrgäste zu angeheitert sind, um den gefinkelten Zugfahrplan (die vordere Zughälfte fährt nach Salzburg, die hintere nach Kufstein) zu durchschauen. Und mit so einem Trachtensportdress läuft man locker 20 km zurück und kommt dabei nicht einmal gscheit ins Schwitzen.

Mit einem speziellen Invasionsplan, praktisch zweite bayerische Landnahme, aber dieses Mal per Tracht, hat das gar nichts zu tun. Oder? Sicher, man sieht wieder viel mehr Trachten und Dirndln auf Österreichs Straßen. Und ja, auch wir haben kaum noch einen Aufsichtsratsvorsitzenden, der keinen Steirer im Schrank hat. Und eine Politikerin, die in Österreich etwas werden will, muss sich vor den Wahlen im Dirndl ablichten lassen. Es gibt in Wien inzwischen sicher auch mehr Trachtengeschäfte als Buchhandlungen. Aber es gibt ja auch mehr Handygeschäfte. Der Zug hält in Kufstein. Die meisten sturzbetrunkenen Dirndln und Lederhosen steigen nach Innsbruck um. Sie reden Tirolerisch. Unheimlich. s

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