Szene Bunte Wähne: Raues Viertel, rühriges Theater

Mama singt Geschenke. Mit Marie-Christiane Nishimwe (2–7 Jahre).
Mama singt Geschenke. Mit Marie-Christiane Nishimwe (2–7 Jahre).(c) Ani Antonova
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Das Szene Bunte Wähne Festival erobert heuer schon im Frühling das Waldviertel.

Das stämmige Nashorn balanciert über ein hauchdünnes Seil. Sein Blick ist konzentriert. Sein Aussehen etwas eigenartig. Die mächtigen Falten des Tieres sehen aus, als würde es – passend für das rauhe Klima des Waldviertels – eine kurze Hose und Schulterwärmer tragen. Dabei trifft Albrecht Dürers Darstellung eines Panzernashorns aus dem Jahr 1515 die Realität erstaunlich gut, wenn man bedenkt, dass er so ein Tier nie zu Gesicht bekam. Als Maskottchen auf dem Folder des Szene Bunte Wähne Festivals darf es nun die Fantasie anregen – und, wenn man so will, eine Hose tragen, auch wenn es die heuer gar nicht brauchen wird: Denn das Theaterfestival für junges Publikum wird im 26. Jahr seines Bestehens zum ersten Mal nicht im Herbst, sondern im Frühling und Frühsommer stattfinden. Dahinter stecken pragmatische Überlegungen (der Schulanfang ist heute stressiger und teurer, die vielen Sommertheater rittern um Aufmerksamkeit), aber auch inhaltliche Neuerungen. „Wenn der Frühling und die warme Jahreszeit anbricht, kann man auch ganz andere Projekte machen und so viel spezifischer auf die Region eingehen“, sagt Festivalgründer Stephan Rabl. Das Festival kann nach draußen gehen, ohne Wind und Wetter fürchten zu müssen . . .

Legende von Verdis Violetta. Opernstoff für junges Publikum (ab 13 J.)
Legende von Verdis Violetta. Opernstoff für junges Publikum (ab 13 J.)(c) Beigestellt

Publikum auf der Luftmatratze. Neu ist etwa das Stationentheater „Bauernhof zu verkaufen“: „Hier agieren wir mit einer Komponente, die im Waldviertel sehr real ist – mit dem Thema Abwanderung. Es gibt viele Bauernhöfe, die verlassen sind und zum Verkauf stehen.“ Also versammelt sich das Publikum im Freien vor einem solchen Gehöft, ein Makler erscheint und erzählt die Geschichte des Baunernhofs. „Man kommt drauf, dass das das Haus seines Vaters, seines Großvaters war und es ist die Frage: Wird er verkaufen oder nicht?“ Auch die Gruppe IYASA, die seit 14 Jahren zum Festival kommt, nutzt die wärmere Jahreszeit. Neben ihrem neuen Theaterstück („Mein Bauernhof“) hat die Truppe aus Zimbabwe auch ungewöhnliche Konzerte auf dem Spielplan: Gesungen und gespielt wird am Wasser. Bei den Konzerten im Schwimmbad Horn (28. Mai) und auf der Thaya in Raabs (29. Mai) ist das Publikum eingeladen, in Booten bzw. auf Luftmatratzen schippernd zu lauschen. Auch eine beeindruckende Freiluftkulisse: die Ruine Kollmitz. Die in Ruanda geborene Opernsängerin Marie-Christiane Nishimwe erzählt und singt in „Klingende Lieder“ die dramatische Dreiecksgeschichte der einstigen Bewohner der Burg: Ein Drama um eine untreue Komtess, einen russichen Grafen und einen eifersüchtigen Ehemann. Duell inklusive! Und in der Wild, einem Waldgebiet, erzählt ein Jäger Marie von Ebner-Eschenbachs „Krambambuli“.

Wolkenträume. Fantasievolles Stück übers Fliegen mit M. Pasman (2–7 Jahre).
Wolkenträume. Fantasievolles Stück übers Fliegen mit M. Pasman (2–7 Jahre).(c) Beigestellt

In seinem 26. Jahr nimmt sich das Festival mehr Raum. Es findet entlang der Thaya und der Franz-Josefs-Bahn statt und erobert Dutzende Städte und Dörfer in der Region zwischen diesen zwei Adern des Waldviertels. Es kommt näher zu den Leuten, will mehr mit ihnen und ihrer Lebenswirklichkeit zu tun haben: „Wir wollen nicht nur ein Publikum ansprechen, das ohnehin Zugang zu Kunst und Kultur und ein gewisses Bildungsniveau hat“, sagt Rabl. Er wolle vielmehr „jeden einzelnen“ erreichen. „Ich finde es für junge Leute wichtig, über Gemeinde- und Bezirksgrenzen hinweg zu denken und zu handeln, um größere Räume für die Zukunft zu bauen“, sagt er.

Enlang der Bahn und der Thaya. Die Bahnstrecke und der Fluss sind verbindend, mit dem Zug pendeln viele nach Wien. Auch hier nimmt das Festival Bezug, z. B. im Stück „Mim Zug“ der Schallundrauch Agency, in dem es ums Gehen, Rennen, Stolpern, In-den-Zug-Steigen und ums Tanzen geht. „Meine Stadt steht Kopf“ nimmt seinen Ausgang beim Bahnhof – Gmünd, Waidhofen und St. Pölten werden zur Kulisse einer tänzerischen Stadterkundung. Beobachten lässt sich auch das Revival des Puppentheaters: Die spanische Truppe El Patio Teatro formt vor dem Publikum Tonfiguren und lässt sie lebendig werden („Hand-gemacht“). Das polnische Teatr Figur Kraków schuf den melancholischen „Billy Fog“, einen Schattentheater-Buben, der über den Tod (seiner Katze) sinniert. Und das Puppentheater Halle bringt eine Schildkröte mit („Fischbrötchen“).

Auf Achse. Das Festival tourt 6 Wochen durch das Waldviertel.
Auf Achse. Das Festival tourt 6 Wochen durch das Waldviertel.(c) Ani Antonova

Und warum ausgerechnet im Waldviertel? „Ich bin dort aufgewachsen und hätte mir als Kind immer so ein Festival gewünscht“, sagt Rabl. „Der Zugang zu Kunst und Kultur unterstützt junge Leute dabei, Träume und Visionen zu haben – und daran zu glauben, dass man sie auch umsetzen kann.“

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