David Bennent: „Vermögen macht auch Scherereien“

David Bennent.
David Bennent.(c) Janine Guldener
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„Was der Mammon sagt, ist nicht dumm!“ David Bennent über „Jedermann“, sein Verhältnis zu Geld und zur Religion – und wie er Oskar heute sieht.

Als Oskar Matzerath in Volker Schlöndorffs
Verfilmung der „Blechtrommel“ von Günter Grass wurde David Bennent 1979 mit zwölf Jahren zum Vater aller Rebellenkinder. Heute verbindet den Schauspieler nur mehr wenig mit dem Welterfolg und noch weniger mit seinem Schöpfer, Grass, „der sich zur moralischen Instanz aufgeworfen, Leute an den Pranger gestellt hat, aber seine eigene Verstrickung im Dritten Reiche verschwieg“.

Im Lauf seiner Karriere hat der gebürtige Schweizer mit fast allen berühmten Regisseuren zusammengearbeitet, darunter mit Patrice Chéreau, Klaus Michael Grüber, George Tabori, Robert Wilson oder Hans Neuenfels. Im Salzburger „Jedermann“ spielt Bennent heuer den Mammon. Im Oktober kommt ein Film mit ihm ins Kino: „Nebel im August“ von Kai Wessel über Kindereuthanasie im Nationalsozialismus.

Ist der „Jedermann“ sentimental oder genial?
Beides. Sentimental ist er, weil er gut endet,
Jedermann nicht vom Teufel aufgefressen wird – und wir auch nicht. Das Gute siegt. Genial ist er, weil die Sprache so wunderschön ist – und wie das Stück vom Dichter aufgebaut wurde.


Wie konnte sich der „Jedermann“ in unsere, vor allem im Westen, teils sehr atheistischen Zeiten retten?

Das ist das Schöne. Der „Jedermann“ ist eine Institution, fast die Säule der Salzburger Festspiele. Salzburg hat den Domplatz, das Festival in Avignon den Cour des Papes. Da ist das Theater, wie es sein soll.


Sind Sie religiös?

Was heißt religiös? Ich bin getauft worden. Ich finde christliche Geschichte spannend. Aber ich erwarte nicht, von einem Mann mit langem, weißem Bart erlöst zu werden. Ich glaube an magische Kräfte und dass die Figur Jesus eine Kraft gehabt hat – oder hat.
Katholiken und Protestanten haben einander früher bekämpft wie heute die Schiiten und die Sunniten im Islam. Religion scheint nicht für Frieden zu sorgen.
Wenn man Religion richtig versteht, ist sie etwas Wunderschönes. Es kommt aber immer darauf an, wer benützt die Religion und wer herrscht gerade. Wenn man Marx liest, findet man auch den Kommunismus schön. Aber was die Menschen daraus gemacht haben, ist nicht schön.


Sie spielen heuer erstmals den Mammon im „Jedermann“. Er ist auch eine komische Figur. Geht es in diesem Stück auch um Schadenfreude? Wir bleiben, Jedermann muss gehen.
Ich habe den „Jedermann“ ein paarmal gesehen und ihn gelesen. Ich verstehe nicht, warum der Mammon in diese vulgäre und obszöne Ecke gedrängt wird. Was er sagt, ist nicht dumm.


Was haben Sie für ein Verhältnis zum Geld?
Eigentlich ist Geld mir nicht wichtig. Ich glaube, ich könnte auch ohne oder mit weniger Geld leben. Manchmal überlege ich: Wie würde ich das schaffen, wenn ich nicht diesen Beruf hätte, der mir die Möglichkeit schenkt, gut davon zu leben? Das Geld, das ich habe, verhilft mir dazu, dass ich nicht jeden Blödsinn im Fernsehen machen muss. Und es hilft mir zum Beispiel, mich gut zu ernähren. Mit Vermögen hat man auch lauter Scherereien. Man muss es verwalten, man muss zur Bank gehen, zum Steuerberater. Je mehr Geld man hat, desto mehr gibt man aus. Vielleicht ist man manchmal sogar sorgloser ohne Geld.


Sie haben mit vielen berühmten Regisseuren gearbeitet. Sind Sie dadurch reich geworden?
Reich würde ich nicht sagen. Ich habe Glück gehabt. Ich habe an guten Häusern gearbeitet. Wir sind in Deutschland auch beschenkt mit Kultur und mit den Subventionen, die dafür zur Verfügung gestellt werden. Ich lebe allein. Ich habe keine wirkliche Verantwortung. Ich kann meinen Weg auf meine Art und Weise machen. Ich muss nicht unbedingt Geld verdienen. Natürlich muss ich schauen, dass was reinkommt. Aber ich kann zum Beispiel schon einmal vier Wochen nach Griechenland fahren, nichts machen, nur lesen, schwimmen, Fische essen. Was ich habe, gibt mir – ich wage das zu sagen – eine kleine Lebenssicherheit.


In Peter Brooks Inszenierung von Shakespeares „Sturm“ haben Sie den Caliban gespielt. Und auch gemeinsam mit Ihrem verstorbenen Vater Heinz Bennent in Samuel Becketts „Endspiel“. Beide Werke sind heuer im Schauspielprogramm der Salzburger Festspiele zu sehen. Was ist für Sie das Wesentliche an den beiden Stücken?
Ich habe so oft von der düsteren, verzweifelten und schlechten Welt Samuel Becketts gehört. Mein Vater kannte ihn. Er hat erzählt, wie witzig und laut er war – und wie gern er lachte. „Endspiel“ ist auch eine wunderbare Liebesgeschichte zwischen Hamm und Clov, der eine sagt, ich gehe, der andere sagt, du kannst nicht, du musst mich pflegen.
Wir haben unsere Vater-Sohn-Beziehung dargestellt. Caliban im „Sturm“ ist ein Ureinwohner, ein Insulaner, er kennt die Insel, die Natur, jeden Wind. Er liebt sie – und dann kommen diese fremden Kolonisatoren und nehmen ihm alles weg. Das ist wie mit den Aborigines oder den Indianern.


Volker Schlöndorffs Verfilmung der „Blechtrommel“ von Günter Grass hat Sie 1979 berühmt gemacht. Sie spielten den Oskar Matzerath, das Kind, das nicht wachsen will. War der frühe Ruhm auch ein Fluch?
Für meinen Anfang war die „Blechtrommel“ ein Vorteil, weil die Leute wussten, wer ich bin. Aber auf meinem Weg zum Theater war „Die Blechtrommel“ natürlich auch ein Fluch, weil ich immer wieder darauf angesprochen wurde – und vielleicht die Erwartung viel größer war, als wenn ich ganz klein angefangen hätte.

Tipp

„Jedermann“ mit Cornelius Obonya, Miriam Fussenegger, ­Peter Lohmeyer, David Bennent, Julia Gschnitzer u. a. ab 23. Juli am Salzburger Domplatz.

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