Juliette Khalil: „Ein Kind hat so viel Energie!“

Juliette Khalil über Pinocchio:  „Er weiß noch nicht, dass einem  im Leben nichts geschenkt wird.“
Juliette Khalil über Pinocchio: „Er weiß noch nicht, dass einem im Leben nichts geschenkt wird.“(c) Carolina Frank
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In der Volksoper spielt ein Mädchen den Holzbuben, der „ein richtiger Junge“ sein will: „Pinocchio“. Juliette Khalil im Gespräch.

Bücher zerreißen ist viel lustiger als Bücher lesen! Das findet zumindest Pinocchio. Die Volksoper zeigt die ihm gewidmete Oper von Pierangelo Valtinoni. Juliette Khalil spielt Pinocchio. „Wien ist meine Heimat!“, betont die 26-jährige Schauspielerin mit libanesischen Wurzeln, die hier geboren ist. Der Vater ist Bauingenieur, die Mutter Coach für Migranten im Magistrat, die Schwester studiert Jus: Keine großen Verbindungen zur Kultur in der Familie, trotzdem wurde Khalil von Kind an gefördert. Spätestens mit dem Eintritt in den Kinderchor der Wiener Staatsoper war der Berufswunsch des Mädchens klar, das am liebsten Prinzessin spielte. Trotzdem freut sich die quirlige Künstlerin auf Pinocchio.

Der Holzbub, der „ein richtiger Junge“ sein will, wird von einem Mädchen gespielt. Transgender im Märchen sozusagen, oder?
Grundsätzlich muss man Pinocchio gar nicht so auf Bub oder Mädchen festlegen. Das ist ja das Spannende daran. Es geht vor allem darum, die Energie zu zeigen und wiederzuentdecken, die ein Kind hat, völlig anders als ein Erwachsener. Pinocchio ist einfach ein sehr temperamentvolles Wesen.

Die Musik klingt teils schräg, teils einschmeichelnd.
Pierangelo Valtinoni ist ein Italiener, die Oper ist tonal, nicht nur so rauf und runter, was ich ganz toll finde, weil man die Musik wirklich versteht. Jeder Ort in der Geschichte hat seine spezielle Melodie, die hört man sofort heraus und weiß, wo man sich befindet. Zum Beispiel im Zirkus. Der Zirkus ist im Übrigen ziemlich grauslich. Ich würde da nicht reingehen.

Wie weit folgt die Geschichte dem Original?
Teilweise. Pinocchios Vater Geppetto ist einsam, er schnitzt sich einen Jungen aus Holz und wünscht sich, dass er lebendig wird. Das passiert auch. Die Fee hilft. Pinocchio ist übermütig, er soll in die Schule gehen, stattdessen stellt er fest, dass es viel spannender ist, die Bücher zu zerreißen. Er macht, was ihm in den Kopf kommt. Er ist nicht dumm oder naiv, sondern in der Jugend überlegt man nicht, man tut einfach, was einem einfällt.

Mit der Zeit wird Pinocchio erwachsen.
Vieles, was in seinem Leben passiert, ist nicht geplant, und ihm passieren allerlei verrückte Dinge. Immer wieder schwört er aufs Neue: Ich bin brav. Aber seine Neugier überfällt ihn. Einmal wird er krank. Das ist diese typische Art von Krankheit, wenn Kinder Trost brauchen, wenn sie einfach in den Arm genommen und gekuschelt werden wollen – von der Mama.

Pinocchio hat ja auch Probleme, durch Fuchs und Kater?
Die zwei erscheinen ihm unwiderstehlich, obwohl sie ihn betrügen. Man fragt sich: Warum fällt er auf die rein, die doch so offensichtlich üble Kerle sind, so blöd kann er gar nicht sein. Bei uns haben Fuchs und Kater Skateboards, Roller und eine Pommesbude, genau das, was ein 13-Jähriger als cool versteht. Pinocchio will dazugehören. Er weiß noch nicht, dass einem im Leben nichts geschenkt wird. Das passiert ja oft, man bekommt etwas, aber es wird dafür eine Gegenleistung erwartet.

Hollywood-Produzent Harvey Weinstein wird vorgeworfen, scharenweise Frauen belästigt oder vergewaltigt zu haben. Anscheinend erwartete er sich auch eine Gegenleistung für ein Engagement. Haben Sie auch schon Erfahrung mit solchen unsittlichen Angeboten gemacht?
Gott sei Dank nicht. Ich denke, ich habe einfach Glück gehabt. Man darf auch als Anfängerin nicht andeuten, dass man den Job braucht und dafür zu allem bereit ist. Man muss sich selber klar machen: Das ist es nicht wert. Ich möchte wegen meines Könnens engagiert und anständig behandelt werden.

Wann hat bei Ihnen die Kunstbegeisterung begonnen?
Ich habe immer gern gesungen und gespielt. Ich war in der Singschule. Meine Volksschullehrerin hat empfohlen, dass ich das weitermache. Und dann bin ich im Kinderchor der Wiener Staatsoper aufgenommen worden. Ich war neun und meine erste Vorstellung war „La Bohème“. Meine Mama war bei der Premiere dabei. Mein Vater erst bei einer späteren Vorstellung. Ich habe ihn gefragt, wie er die Oper fand. Er sagte: „Schön, aber ich bin eingeschlafen – und dann hat eine Frau geschrien.“ Das war der Sopran. Aber inzwischen hört mein Papa nur mehr Ö1!

Reisen Sie manchmal in den Libanon?
Nein. Ich war nur einmal mit drei Jahren bei den Großeltern. Der Libanon ist kein sicheres Land. Ich habe auch wenig Verbindungen oder Freunde dort. Ich bin eigentlich Wienerin.

Tipp

„Pinocchio“. Pierangelo Valtinonis Oper hat am 19. 11. in der Volksoper Premiere. Dirigent: Guido Mancusi, Regie: Philipp M. Krenn; ab sechs Jahren.

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