Ute Lemper: Letzte Tangos und die Dietrich

Mythos. „Singen kann man das nicht nennen“, sagt Ute Lemper über Marlene Dietrich. Sie mag ihren Typ.
Mythos. „Singen kann man das nicht nennen“, sagt Ute Lemper über Marlene Dietrich. Sie mag ihren Typ.(c) Show Connection
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Ute Lemper gastiert mit herrlich melancholischen Liedern in Wien.

In den Verdacht, authentisch zu sein, geriet Ute Lemper im Verlauf ihrer erstaunlichen Karriere ja im Grunde nie. Umso spannender, dass die einstige Musicalsängerin jüngst ein Projekt realisiert hat, bei dem sie sich Astor Piazzollas Tango Nuevo annimmt, eines Stils, der kein Pathos bei seiner Aufarbeitung der Schattenseiten der Existenz auslässt. Da fantasiert sie von argentinischen Tangolokalen am Ende der Nacht, die von betrunkenen Musikern und müden Damen der Nacht bevölkert sind. Sie erzählt auch von Bürgern im legendären Café Vesuvio in Buenos Aires, die, erschöpft von ihren tristen Passionen, über ihre eigentliche Daseinsberechtigung nachdenken. „Der Sinn des Lebens? Da ist er da und dann ist er wieder weg.“

Ihr aktuelles Projekt, „Last Tango in Berlin“, mit dem sie am 17. November im Wiener Konzerthaus zu Gast sein wird, bietet aber weit mehr als argentinische Existenzphilosophie. Lemper, die Anfang der 1980er-Jahre in Wien studiert und ihre Karriere mit „Cats“ am Theater an der Wien begonnen hat, wird die Hörer auch mit Jacques Brels Klassiker „Amsterdam“, dem Piaf-Evergreen „Milord“ und Kunstliedern aus dem Brecht/Weill-Repertoire aus einer eventuellen Affektstarre ziehen. Was deren Lieder so zeitlos macht? „Es geht um Ausbeutung der arbeitenden Menschen, die Macht des Geldes, Frauenemanzipation, um Moral und um Gesetz. Um Momente, in denen es unmoralisch ist, sich ans Gesetz zu halten. Da sind viele idealistische, kommunistische Gedanken drin, die von humanistischer Seite her richtig sind. Die Umsetzung dieser Ideen hat dann im Osten bekanntlich nicht so gut geklappt.“

Leben in New York. Auf ihre höchst erfolgreiche Zeit im Bereich Musical sieht Lemper mit gemischten Gefühlen zurück. „,Cabaret‘ in Paris zu spielen hat mir am besten gefallen. Es war die größte Rolle. Sally Bowles hatte eine gewisse Tiefe, die Lieder waren prima. ,Chicago‘ am Broadway war im Vergleich dazu eher Slapstick-Stil. Die Tanzerei im Bob-Fosse-Stil war okay, das Ensemble nett, aber im künstlerischen Sinne hat es mir nicht viel gegeben.“ Seit sie dem Broadway entronnen ist, hat Lemper einen entspannteren Blick auf New York, die Stadt, in der sie lebt. „Der Himmel ist immer blau. Hier gibt es keinen wochenlangen Regen. Die Stadt hat keine Normalität, und das liebe ich. Es gibt so ein schönes Nebeneinander von Menschen unterschiedlichster Herkunft hier an der Upper West Side. Kleinbürgertum gibt es hier nicht, das tut gut. Es ist die Wahrhaftigkeit dieser Stadt, die ich mag. Besonders schön ist sie ja nicht.“

Letzteres behauptet man auch über den Gesang von Marlene Dietrich. Auch Lemper sieht ihn skeptisch. „Ach, singen kann man das ja nicht nennen. Das ist doch Sprechgesang. Am Anfang war ihre Stimme piepsig, erst im Laufe der Jahre hat sie sie mit Zigaretten runtergedrückt. Das klang dann sehr erotisch, kann aber nicht mit Sängerinnen verglichen werden, die ihr Instrument wirklich beherrschen. Etwa Sarah Vaughan oder Ella Fitzgerald, die sich mit ihren Stimmen wirklich frei bewegen konnten. Da war die Seele voll an die Stimme gebunden. Das ist das Höchste.“ Und doch singt sie gern Lieder, die die Dietrich berühmt gemacht hat. Was sie an der Dietrich mag? „Dass sie sich einen tollen Mythos geschaffen hat. Der Frauentyp, den sie in ihren Filmen verkörpert hat, lauter solitäre Femme-fatale-Figuren, war schon sehr interessant.“

Tipp

Ute Lemper. „Last Tango in Berlin“, 17. November, 19.30 Uhr, im Wiener Konzerthaus.

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