Randerscheinung: Schlachtenlärm

Der Jüngste kann nicht einschlafen: „Papa, ich bin nicht müde, mir ist fad.“ Eigentlich kann ich ihn sehr gut verstehen.

Der Jüngste kann nicht einschlafen: „Papa, ich bin nicht müde, mir ist fad.“ Eigentlich kann ich ihn sehr gut verstehen. Alle anderen sind noch auf, nur er muss um acht ins Bett. Das weiß er genau. Und hört es vor allem auch. Der Älteste übt in seinem Zimmer Klavier, der Mittlere erzeugt jenen Geräuschmix, der entsteht, wenn man gleichzeitig drei Bildschirme im Auge haben muss: Der Fernseher läuft, der Laptop ist aufgeklappt und „Flappy Bird“ am Handy wird nur unterbrochen, wenn ein SMS reinkommt. Aus der Küche lärmt es ebenfalls, weil die Eltern verzweifelt versuchen, die schlimmsten Verwüstungen des Tages zu beseitigen. Dazu schleudert noch die Waschmaschine. Kurz: Ich könnte so auch nicht einschlafen. Das kann ich natürlich nicht sagen, sondern: „Weißt du was? Mach einmal die Augen zu und denk an etwas Schönes.“ Er: „Ich möchte aber an etwas Cooles denken.“ Ich: „Wie wäre es mit unserem letzten Zoobesuch?“ Er: „Das ist etwas Schönes.“ Ich: „Was wäre denn etwas Cooles?“ Er: „Ritter oder Piraten.“ Ich: „Das ist auch gut, mach die Augen zu und denk an Ritter und Piraten.“ Das passt wirklich gut, weil bei geschlossenen Augen taugt die Geräuschkulisse wunderbar für das Entern eines britischen Handelsschiffes oder die Erstürmung einer mehrere Wochen lang belagerten Burg. Während ich dem Jüngsten dabei zuschaue, wie er an etwas Cooles denkt (übrigens: Das ist etwas Schönes), denke ich: Ich denke beim Einschlafen immer nur an Unerfreuliches. Einen schwelenden Streit, eine unbezahlte Rechnung, eine nicht erledigte Arbeit. Vielleicht sollte ich meinen eigenen Rat beherzigen und einmal an etwas Schönes denken. Oder gar an etwas Cooles. Später dann vielleicht, wenn der Schlachtenlärm sich gelegt hat und die Küche aufgeräumt ist.

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