Randerscheinung: Lebensmitte

Unrunde Geburtstage zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr eignen sich entgegen der landläufigen Meinung so gar nicht für gute Vorsätze bezüglich der Lebensführung.

Erstens ist man mit dem Am-Laufen-Halten der eigenen Existenzmaschine so ausgelastet, dass der für strategische Entscheidungen notwendige perspektivische Schritt hinaus nicht gelingt (wenn man es schafft, bis zur dritten Mahnung alle Erlagscheine einzuzahlen, ist man erfahrungsgemäß schon überdurchschnittlich gut unterwegs). Zweitens kommen die wirklich großen Umwälzungen meist ungeplant. Und enden nur in den selteneren Fällen mit einer Verbesserung. Wozu sich diese unscheinbaren Geburtstage allerdings schon eignen, ist zu einer Feinjustierung des Psycho-Set-ups. Decken sich Selbst- und Fremdwahrnehmung noch (als Arbeitshypothese empfehle ich ein Nein), was geht sich ganz generell und spezieller mit Blickrichtung Mode noch aus (vor allem aber: was nicht mehr), und wie ist das jetzt mit der dritten Pensionssäule (Arbeitshypothese hier: Sie ist umgefallen)? Um sich, was seine körperlichen Fähigkeiten betrifft, zu kalibrieren, ist es nicht ungünstig, wenn man einen fast erwachsenen Sohn zur Hand hat. Nach einer mittleren Laufrunde wird schnell klar, warum alle dauernd die süßen Siebzehn besingen und kein Hahn nach den fucking forty-four kräht. Als der Älteste immer genau zwei Schritte vor mir herumtänzelt, während ich schon auf Reserve laufe, wird mir klar: Ab sofort ist nur langsam schlechter werden schon eine Steigerung. Mit dieser Erkenntnis und Schnappatmung im Gepäck kehre ich nach Hause zurück. Als ich mich dann wieder erholt habe, fühle ich mich für das anstehende Lebensjahr kalibriert. Mehr sollte man von einem unrunden Geburtstag rund um die Lebensmitte wirklich nicht erwarten.

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