Randerscheinung: Allergisch

„Was ist das?“, fragt mich der Jüngste in der Früh im Badezimmer und meint mein Antihistaminikum, das ich gerade gegen eine aufbrandende Heuschnupfenwelle einwerfen will.

„Das ist ein Medikament, weil die Augen immer so jucken, wenn draußen die Bäume blühen und die Blumen aus der Wiese kommen“, sage ich und überlege, ob die Erklärung auch fünfjährigenadäquat genug ist. Eher schon. Und ob man überhaupt Tabletten in Gegenwart von kleinen Kindern schlucken sollte. Sicher nicht. „Du bist also gegen den Frühling allergisch, Papa?“ Diese Frage hat mich ein bisserl am falschen Fuß erwischt. Erstens, weil ich überrascht war, dass das mit dem „allergisch“ so ansatzlos gekommen ist. Aber dann ist mir gleich eingefallen, dass „allergisch“ seit langer Zeit meine Begründung für die Nichtanschaffung eines Haustieres ist (wobei es stimmt, dass ich eine Katzenhaarallergie habe, aber dazu kommt noch, dass ich einfach keinen Hund möchte, weil ich finde, meine Betreuungskapazitäten sind voll und ganz ausgeschöpft. Ich würde nur einen Hund nehmen, wenn der sich um mich kümmert). Zweitens aber freue ich mich jedes Jahr ausgesprochen, wenn es wieder wärmer wird, und vor allem die ersten schönen Tage im April empfinde ich immer als großes Geschenk, körperlich stellt sich gleich besonderes Wohlbefinden ein – vor allem, wenn die Tablette endlich zu wirken begonnen hat. Dass ich also gegen den Frühling allergisch sein könnte, will ich gar nicht hören. Wie ich mir überhaupt fest vorgenommen habe, Jahreszeiten, Wetter und andere von mir nicht beeinflussbare Parameter so weit wie möglich zu ignorieren. Im Badezimmerradio kommt trotzdem gerade der ausufernde Wetterbericht. „Papa, die sagen gerade, wie das Wetter wird!“ „Und, wie wird es?“ „Wunderschöner Wolkenschein!“

Schaufenster.DiePresse.com/Randerscheinung

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.