Randerscheinung: Wunder Punkt

Begonnen hat alles mit einem Gespräch am Küchentisch.

Der Älteste, der in gut einer Woche zentralmaturiert und deshalb nur mehr sporadisch in der Schule vorbeischauen muss, frühstückt, wie man unter solchen Umständen eben frühstückt: relaxed – to say the least. Als wäre dieser Anblick für den in der Alltagsmühle geschroteten Mittvierziger nicht schon Herausforderung genug, sagt er dann noch: „Ihr seid ja jetzt auch in einem Alter, in dem man öfter zum Arzt gehen sollte.“ Gemeint hat er es lieb, so in der „Schaut auf euch, liebe Eltern“-Richtung. Hören will man so etwas aber trotzdem nicht. Mich, der Ärzte meidet, wo es nur geht, trifft das überhaupt an einem wunden Punkt. Besonders, weil ich erst vergangene Woche ein Erlebnis hatte, das ich bisher immer in den Bereich der Nahtoderfahrungen eingeordnet habe: Der Automobilklub meines Vertrauens hat mir ein „Hurra, Sie sind 25 Jahre Mitglied“-Gratulationsschreiben samt dazugehörigem Pkw-Pickerl geschickt. Beides ist zwar umgehend im Mistkübel gelandet (Menschen, die ihre Autos mit mehr als dem Pickerl bekleben, waren mir immer schon suspekt – egal, ob man partout die Vornamen seiner Kinder unters Volk bringen, seinen bevorzugten Urlaubsort kundtun oder sogar [???] für Tiere bremsen will); der Schock sitzt trotzdem immer noch tief. Der Jüngste, der mich in aller Regel erdet, will dann in einem Zu-Bett-geh-Gespräch am Abend wissen, wie es sein kann, dass es auf einer Welt, die ja angeblich eine Kugel und daher rund ist, Fußballplätze gibt, die ganz gerade sind? Ich erkläre es ihm, so gut ich kann, und fühle mich angesichts der (von mir gestenreich beschriebenen) Größe der Erde noch ein Stückchen kleiner und vergänglicher. Gut, morgen mache ich ein paar Arzttermine aus. Aber zuerst einmal: Gute Nacht!

Schaufenster.DiePresse.com/Randerscheinung

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