Randerscheinung: Adria

Was eine mannshohe Welle ist, hängt natürlich sehr von der Größe des wellenbrechenden Mannes ab.

Da der Jüngste mir knapp bis zum Nabel reicht, treffen ihn die Brecher mitten im Gesicht. Bei mir wird der Bauch nur bis genau zu der Stelle nass (und kalt), die für mich die größte Hineingehüberwindung darstellt. Wobei das bei jedem anders ist, meine Schwester kämpft zum Beispiel mit kaltem Wasser immer so lange, bis schließlich auch die Ellbogen drin sind. Mit kleinen Kindern liefert die obere Adria jedenfalls immer genau das, was man braucht (und die beiden älteren Kinder wollten eh nicht mehr mitfahren): Sand, Spaghetti, Stracciatella. Okay, das war jetzt nur wegen des dritten S, Cioccolata und Fragola wäre die Wahrheit gewesen. Wenn dann in Venedig ausgerechnet an diesem einen Venedig-Tag die Vaporetti streiken, dann kommt man sich in der einzigen Alternative Wassertaxi plötzlich vor wie George Clooney auf dem Weg zu den Filmfestspielen. Auch weil Venedig wie die Adria immer genau das liefert, was man sich versprochen hat. Und wenn man dann noch kurz innehält und bedenkt, dass die japanische Reisegruppe dort drüben (genauso wie Clooney) unendlichen Aufwand betrieben hat, um das hier auch nur einmal im Leben sehen zu können, man selbst aber mit dem Auto von zu Hause gekommen ist, fühlt sich das alles noch viel besser an. Am nächsten Morgen liegen auf dem Strand fünf fette Quallen, und ich versuche, den Jüngsten davon zu überzeugen, dass es in der Früh noch zu kalt zum Wellenhupfen ist. Wie sehr mir graust, will ich nicht sagen, weil er seine eigenen Phobien entwickeln können soll. An das Q wird er sich übermorgen zu Hause ohnehin nicht mehr erinnern, nur mehr an die drei S und die mannshohen Wellen natürlich. Und ich mich an meinen kalten Bauch.

Schaufenster.DiePresse.com/Randerscheinung

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