Randerscheinung: Nachzügler

Das lange Wochenende hat Spuren hinterlassen.

Der Jüngste hat zwei aufgeschürfte Knie und einen aufgeschürften Ellenbogen und schaut überhaupt sehr mitgenommen aus. Am einen Knie sind die Sandalen schuld. Und die Eile. Passen Sandalen genau, steht trotzdem immer irgendwie eine Zehe über, die dann über den Asphalt schrammt. Kauft man sie aber zu groß, ist es schwierig, richtig zu laufen, ohne vorn hängen zu bleiben. Am anderen Knie und dem Ellenbogen ist eine zu rasante Fahrradfahrt schuld. Oder um es genauer zu sagen: Ich habe nicht gut genug aufgepasst. Ein Problem beim Aufziehen eines Nachzüglers besteht nämlich auch darin, dass man dem Kind tendenziell zu viel zumutet. So wie man bei Erstgeborenen oft viel zu lang auf der Babyschiene fährt (ich bin immer wieder überrascht, wie gut Kinder sprechen lernen, obwohl ihre Eltern mit ihnen noch nach Jahren wie mit Neugeborenen reden . . .), orientieren sich bei Nachzüglern alle (auch der Jüngste selbst) an den älteren Geschwistern. Das führt dann im harmloseren Fall dazu, dass sie schon mit zwei Jahren mit normaler Gabel, normalem Löffel auf einem normalen Sessel vor einem Riesenteller sitzen und sich plagen, im gefährlicheren, dass sie sich beim Radausflug eben dem Tempo der Älteren anpassen. Manchmal geht dadurch auch ein Stück Kindheit verloren. Statt des großen Legos ist es gleich das kleine, statt des Bilderbuchs gleich eines mit mehr Text und statt des langsamen Kinderprogramms eine zu laute Zeichentrickserie. Als wir dann zu Hause angekommen sind, hat der Jüngste das Rad in die Ecke gestellt und ist die nächsten beiden Tage nicht mehr damit gefahren. Das Gras wächst auch nicht schneller, wenn man daran zieht, heißt ein Kalenderspruch. Gut gießen reicht völlig.

Schaufenster.DiePresse.com/Randerscheinung

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