Randerscheinung: Alltag

Das hier ist ja eine Alltagskolumne. Also nicht nur grundsätzlich, weil sie zumeist den Alltag beschreibt, sondern quasi politisch.

Ich finde, es wird viel zu viel von den Ausnahmesituationen des Lebens gesprochen: schönsten Tagen, Traumurlauben, Jubiläen, Partys, also Extrawürsten aller Art. Aber entschieden, ob man sein Leben mag, wird nicht in den fünf Urlaubswochen oder am Geburtstag, sondern an den restlichen gut 300 Tagen und Nächten. Sind die gut, kann der Rest misslingen, und es bleibt immer noch ein positives Gefühl. Wobei die Chance, dass das Besondere misslingt, wenn das Normale klappt, gar nicht so groß ist. Um den Alltag auf diese Art sehen zu können, darf man sich allerdings nicht vor Wiederholungen fürchten, nicht auf Facebook oder Twitter sein – und besser auch keine knapp sechsjährigen Kinder haben. Aus dem Meer an Erklärungen, warum gerade alles ein bisschen anstrengend ist, ist mir neulich die Sechs-Jahres-Krise eingefallen. Oder was auch immer der Grund ist, warum wir mit dem Jüngsten alles, was so gut eingespielt schien, gerade neu verhandeln müssen. Die Cerealien mit Milch, die nun viele Jahre ein unkompliziertes Frühstück ermöglichten, schmecken ihm plötzlich nicht mehr. Von den Alternativen wird jeden Tag eine andere ausprobiert und verworfen. Auch der Bildschirm am Abend (eine Stunde Kinderprogramm von sieben bis acht) ist von einem Tag auf den anderen nicht mehr attraktiv. Stattdessen müssen ständig neue Spiele aus dem App-Store geladen werden, die keine fünf Minuten seine Aufmerksamkeit zu fesseln vermögen. Und auch die Schlafengehen-Zeit steht unter massivem Druck. Länger aufbleiben (länger als ich???) ist das Gebot der Stunde. Ich hätte bitte gern einfach meinen Alltag wieder, dafür kann es auch gern den Sommerurlaub durchregnen.

Schaufenster.DiePresse.com/Randerscheinung

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