Randerscheinung: Ungeduld

„Es ist unfair, warum habe eigentlich ich immer als Letzter Geburtstag?“

Diese Frage stellt nicht etwa der Fünfjährige, der praktisch schon sechs ist, und damit in der glücklichen Lage, sich über die nächsten Geschenke und die anstehende Party Gedanken machen zu können. Die Frage kommt vom Oberstufler. „Man hat immer einmal im Jahr Geburtstag, als Nächster hab dann ich wieder als Letzter Geburtstag.“ Die Antwort kommt nicht von mir, sondern vom Fünfjährigen. Ich hätte es aber auch nicht anders erklären können. Das mit den Geburtstagen ist überhaupt eine schwierige Sache. Der Jüngste ist gerade in einem Alter, in dem man als Eltern mit den einzelnen Jahren so geizig ist wie mit jedem einzelnen eigenen Schritt von Mitte vierzig Richtung fünfzig. Mit Schuleintritt geht viel von dem verloren, was man vermisst, wenn man einmal nur mehr große Kinder hat. Das weiß man aber erst, wenn man mit einem Zivildiener den Tisch teilt. Der Mittlere ist wiederum in dem Alter, in dem jeder eigene Geburtstag mit viel Ungeduld erwartet wird. Jede Sprosse, die man auf der Teenagerleiter nach oben klettert, bedeutet das heiß ersehnte Erreichen von FSK 16, L17, Ü18 – jenen Kürzeln, die eine gemeinsame Bedeutung haben: Freiheit! Über die beste Zeit fürs Geburtstaghaben gehen übrigens die Meinungen auseinander. Ich als Jännerkind habe mich nach einem Feriengeburtstag gesehnt, ohne Schule und Lernen für die nächste Mathematikschularbeit. Der Mittlere findet Feriengeburtstag das Allerletzte: Wozu Geburtstag, wenn kein Freund da ist, mit dem man feiern kann? Ostern ist übrigens total fair: ein Hase, Eier für alle und keines davon, ohne zu suchen. Da kann ­­sich doch wirklich niemand be­­schweren.

Schaufenster.DiePresse.com/Randerscheinung

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