Randerscheinung: Türen schmeißen

Neulich schmeißt der Jüngste im Zuge eines Wutanfalls die Tür zu seinem Zimmer so heftig zu, dass im Gang der Putz von der Wand fällt.

Also wortwörtlich. Jetzt weiß ich natürlich, wenn Menschen mit sechs Jahren nicht wütend Türen schmeißen dürfen, müssen sie das ihr ganzes Leben lang tun. Trotzdem denke ich mir, soll er doch bitte schön lieber später irgendwo anders Türen schmeißen, aber dafür nicht gerade hier und jetzt, da ich doch nur in Ruhe ein bisschen lesen will. Verdammt noch einmal! Und dann spring ich auf, renne die Treppen hinauf und fange selbst an herumzubrüllen. Und währenddessen merke ich schon, das kann natürlich nicht funktionieren. Es ist nämlich wie bei Schere, Stein, Papier: Schere und Schere, da gewinnt keiner. Auch nicht bei Wutanfall und Wutanfall. Also versuche ich es eben mit Papier beziehungsweise mit einer Kreidestimme, die normale funktioniert noch nicht, weil ich ja immer noch einen Zorn habe: „Na, sag mir doch, was ärgert dich denn so?“ Doch der Jüngste bleibt bei Schere (die gewinnt ja bekanntlich gegen Papier) und schreit: „Raus aus meinem Zimmer, sofort!“ Und als ich verdattert folge, schmeißt er hinter mir die Türe zu und sperrt sich ein. Im richtigen Leben werfe ich augenblicklich die Vatervernunft über Bord, trommle an die Tür (gut, dass der Putz schon unten ist) und sage ohne Kreidestimme Sachen wie „Mach gefälligst sofort die Türe auf“ und „Da hört sich ja alles auf“. In der Kolumne hier aber gehe ich gelassen zu meinem Buch zurück, denke mir, wenn Sechsjährige sich nicht austoben dürfen, müssen sie das später ihr ganzes Leben lang tun, warte lesend, bis er sich wieder beruhigt hat, und nehme ihn dann in den Arm. Ziemlich praktisch, so eine Kolumne.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.