Morzé im Theater nach der Oper: „Es ist ein echtes Experiment“

FOTOPROBE: 'EPILOG ZUM WIENER WALD - FAHRT INS GLUeCK'
FOTOPROBE: 'EPILOG ZUM WIENER WALD - FAHRT INS GLUeCK'(c) APA/WERNER KMETITSCH
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Petra Morzé spricht einen Epilog zu den „Geschichten aus dem Wienerwald“ – und über Bettenmachen, Hörspiele und ihre Flucht auf das Land.

Am Theater an der Wien hat sie derzeit eine seltsame Rolle. Während sich die Sänger einsingen, bereitet auch sie sich vor, gehört dazu und doch nicht: Nach den durch HK Gruber zur Oper gewordenen „Geschichten aus dem Wienerwald“ gibt es nämlich eine eigene Vorstellung: einen Epilog, der erzählt, was aus Marianne geworden ist. „Er trägt sie ab wie eine Schweinehälfte“, zitiert Petra Morzé das Ende des bitterbösen Stücks von Ödön von Horvath: Mariannes Kind ist gestorben, das „Wiener Mädel“ muss sich doch noch dem groben Fleischer Oskar ergeben. Die Marianne, die hat die heutige Burgschauspielerin nach Anfängen am Volkstheater als eine ihrer ersten Rollen an der Josefstadt gespielt: Unter der Regie des mittlerweile verstorbenen Karlheinz Hackl, mit Erwin Steinhauer, Otto Schenk und Susi Nicoletti als Großmutter. „Ich hab das geliebt“, sagt Morzé. „20 Jahre ist das jetzt her. Ich war erstaunt, wie sehr die Marianne noch in mir drinnen ist.“

Auch Mariannes Epilog, der von der Schauspielerin und „Wiener Linien“-Stimme Angela Schneider stammt, hat Morzé schon (einmal) gespielt – in Maresa Hörbigers seit 2014 geschlossenem Theater zum Himmel. Da hatte Schneider freilich noch ein Pseudonym. „Ich bin bei der Lesung direkt neben ihr gestanden und hab von dem Text geschwärmt und gesagt, ich will die Autorin kennenlernen“, erzählt Morzé. „Erst später hab' ich erfahren, dass der Text von ihr ist...“

„Manchmal hilft Pragmatik“

Warum ist es nun spannend, Marianne Jahre später wiederzusehen? Weil, sagt Morzé, später im Leben die Fragen kommen. Würd' ich das noch einmal wählen, den Beruf, den Mann? Wie wäre es gelaufen, wenn...? Dazu, sagt Morzé, die Frage: Wie motiviert man sich selbst? Wie redet man sich das Leben schön? „Nicht im negativen Sinn, sondern so, dass man es wieder anpackt.“ Sie werde aufstehen, Frühstück richten und ihre Arbeit tun, sagt Marianne einmal im Epilog. „Ich kenne das auch von mir“, sagt Morzé. „Wenn man älter wird, fragt man sich plötzlich, warum mach ich eigentlich das Bett? Manchmal hilft einfach Pragmatik, damit man sich nicht in den Sinnfragen des Lebens verrennt.“

Die Was-wäre-gewesen-wenn-Frage stelle sie sich hingegen kaum. „Ich hoffe, das klingt für Menschen, die schwere Schicksalsschläge erlebt haben, nicht zynisch, aber ich denke schon, dass jeder Weg oder vermeintliche Umweg einen Sinn hat, auch wenn man mit vielem hadert. Und ich habe die Erfahrung gemacht, dass, wenn ich aufhöre zu hadern, etwas unglaublich Schönes entstehen kann.“ Immer wichtiger wird ihr auch Dankbarkeit. „Das war mir früher überhaupt nicht bewusst. Da ist man noch so gierig in allem.“ Gier, das ist für sie „die böse Schwester der Neugierde, die sagt: Noch mehr, noch mehr, noch mehr.“

Nicht zuletzt deshalb ist sie inzwischen auf das Land gezogen, auf den Bisamberg. „Ich brauche das Dörfliche, um eine Orientierung in mir zu haben. Ich liebe die Stadt, aber ich merke, viel Kraft geht darin auf, mich gegen die Energie des Kauf-mich-Doch zu wehren. Und es sind tolle Versuchungen: ein Lippenstift, ein Parfum, ein Kleid. Der Konsum ist schon sehr überdreht, auch mein Konsumverhalten.“

„Was will ich eigentlich?“ Das, sagt Morzé, müsse sie sich schon deshalb fragen, weil sie sich einen Finanzplan auferlegt hat. „Die Kinder werden größer und wollen in WGs, man wird älter im Beruf, gespart wird an allem, das Burgtheater steckt in der Krise. Da ist es gut zu fragen, wie schaut mein Lebensstandard aus, und geht das auch mit weniger?“ Dass ihre Kinder in anderen Zeiten aufwachsen, beobachtet Morzé stark. „Etwas Unbelastetes, was den Berufswunsch angeht, haben die nicht. Ich hab Schulen abgebrochen, gejobbt und mich nie gefragt, ob ich so überleben kann.“ Mit 16 hat sie beim Film statiert, gemerkt, es macht ihr Freude. Als Beruf hätte sie es sich nicht zugetraut. „Aber es gab Anstöße, und die liefen auf eine Ausbildung hin.“

Gern wäre sie ja eine „stumme Schauspielerin“ geworden. Sie habe sich selbst nicht hören wollen, obwohl sie schon ihren sechs Geschwistern vorgelesen habe. „Sprache ist gewaltig. Ich liebe sie und ich fürchte sie. Und ich weiß, was Sprache anrichten kann. Sie ist aber auch ein unglaublich tolles Instrument, das ich mir erst aneignen musste.“ Umso mehr liebt sie heute, neben Bühne, Kino und Fernsehen, die Arbeit an Hörspielen – für die sie von der ORF-Hörspiel-Jury zur Besten Schauspielerin 2014 gewählt wurde. „Hören“, sagt sie, „ist die erste, goldene Stufe der Kommunikation.“

ZUR PERSON

Petra Morzé wurde 1964 geboren und wuchs als Tochter eines Malers und Bildhauers im Weinviertel auf. Sie studierte an der Kunst-Uni Graz und ist Ensemblemitglied am Burgtheater, wo sie zuletzt in „Die Unverheiratete“ und „Die letzten Tage der Menschheit“ zu sehen war. Im Fernsehen spielte sie u. a. „Polly Adler“, im Kino in „Antares“ und „Nordwand“, ab Mai dreht sie einen Film über Lou Samolé und deren Beziehung zu Nietzsche und Rilke. Im Theater an der Wien spielt sie noch heute, Samstag, und am Montag den Epilog zum Wienerwald: „Fahrt ins Glück“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.03.2015)

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