Ulrike Beimpold: "Entschließe mich jeden Tag zur Helligkeit"

Ulrike Beimpold
Ulrike BeimpoldDie Presse
  • Drucken

Schauspielerin Ulrike Beimpold spielt in Karl Markovics' "Superwelt" eine Supermarktkassiererin. Warum das kein schlechtes Leben sein muss, erklärt sie im Interview.

In Karl Markovics' „Superwelt“ spielen Sie Ihre erste Kinohauptrolle. Wie war das?

Ulrike Beimpold: Das klingt ein bisschen so, als wenn es etwas ganz Neues wäre. Ich hab ja sehr viele große Rollen gespielt, auch im Fernsehen. Und jetzt ist es Kino. Und dieses Drehbuch war ein Geschenk. Und ich bin dem Karl Markovics so dankbar, dass er eine Frauenfigur jenseits der 40 – auch jenseits der Kleidergröße 40 – geschrieben hat.

Sie spielen Gabi Kovanda, eine Supermarktkassiererin, die plötzlich Gott hört. Als Zuschauer hat man keine Ahnung, was er sagt. Haben Sie etwas gehört?

Ja natürlich. Sonst hätte ich das nicht darstellen können. Ich hab mir richtige Dialoge zwischen Gott und Gabi gebaut. Das Schöne ist: Es hören verschiedene Menschen verschiedene Sätze.

In einer großartigen Szene schreit Gabi Gott an, dass sie ja gar nichts wissen wollte.

Das ist ein schönes Bild: dass Gott sich nicht einen Menschen aussucht, der sich schon jahrelang auf einen Berg zurückgezogen hat und dort meditiert, um ein Gotteserlebnis zu erlangen. Sondern er sucht sich eine ganz einfache Frau aus, um mit ihr die einfachen Dinge des Lebens zu besprechen. Und das ist etwas, was sie ja nicht gesucht hat. Deshalb geht sie mit ihm ins Gericht, weil sie sagt: „Was mach ich jetzt damit?“


Was ist, wenn man als Zuschauer selbst gar nicht an Gott glaubt?

Wenn man nicht an Gott glaubt, hat man ja trotzdem eine Beziehung zu Gott. Meine Erfahrung ist die, dass bei manchen das Wort Gott eine Abstoßreaktion auslöst. Ich kann für mich sagen, ich verwende das Wort Gott nicht. Ich verwende in meinem Glauben, der nicht religiös ist, das Wort göttliche Energie oder Quelle. Weil ich die Erfahrung machen durfte, dass wir zwar alle einzeln stehende Individuen sind, aber auf eine göttliche Art miteinander verbunden sind. Leute, die keine Beziehung zu Gott haben, haben auch eine starke Reaktion auf den Film – weil die Abwehrhaltung ja auch eine Reaktion auf Gott ist.


Teilen Sie die Vorstellung, dass man mit Gott reden kann?

Ich höre das weniger als Stimmen, vielmehr sehe ich es in Bildern und – um es banal zu sagen – in Aha-Erlebnissen. Dass man sagt, man erlangt über die Öffnung eines Bewusstseinszustands eine Erkenntnis. Am schönsten ist das immer, wenn man seine eigene Perspektive verlässt. Wenn man sagen oder spüren kann, dass man jetzt einen Teil des Ganzen sieht: Was das für mein Gegenüber bedeutet, für die Gemeinschaft, für den Nachbarn oder die Welt.

Haben Sie ein Beispiel?

Ich mache das eigentlich täglich. Meine großen Aha-Erlebnisse waren sicher, als meine Mutter gestorben ist, mit 58 an Krebs. Da war ich 30, mein Leben hat sich schlagartig verändert. Da gab es auch den Punkt, an dem man sich entscheiden kann: Zerbreche ich daran oder nicht. Da half das Wissen von einer göttlichen Energie oder einem großen Ganzen. Dass man sagt, es geht jetzt nicht nur um meinen Schmerz, sondern darum, wie man mit solchen Erfahrungen umgeht. Seitdem, und glauben Sie mir, das ist auch nicht immer leicht, entschließe ich mich jeden Tag zur Helligkeit. Jeden Tag. Aber es ist eine Entscheidung. Ich sage das gern auch im Zusammenhang mit mir, die als helles, blondes, lustiges Wesen in der Öffentlichkeit steht. Das ist nichts, was mir in die Wiege gelegt worden ist. Das ist auch nichts, was meinen Weg in Erlebnissen ständig begleitet. Sondern das ist eine Entscheidung von mir: zu sagen, machen wir es uns heller, schöner, leichter. Alle miteinander.


Sogar Karl Markovics hat gesagt, dass er Sie als das blonde Wesen im Kopf gehabt habe. Und er habe daher im ersten Schritt gar nicht an Sie für diese Rolle gedacht.

Ist das nicht ein tolles Kompliment? Es war so: Ich habe „Spuren des Bösen“ von Andreas Prochaska gemacht. Das hat Dieter Pochlatko von der EPO-Film gesehen, und er hat zum Karl gesagt: „Schau dir die an.“ Wie Sie gesagt haben, war das einfach nicht in seinem Kopf. Dann haben wir ein Casting gemacht, und es ist etwas Wunderbares passiert, was auch nicht so oft in diesem Beruf vorkommt: Ich hab am Tag des Castings am Abend ein E-Mail vom Karl gehabt.



Haben Sie kein Problem damit, als die immer lustige Blonde zu gelten?

Diese Entscheidung für das Helle bezieht sich auf den alltäglichen Umgang mit Menschen. Von meinem Beruf her bin ich da für mich im Plus. Ich komme aus 22 Jahren Burgtheater, da hab ich meine Wurzeln, da hab ich ernsthafte, tragische Rollen gespielt. Ich weiß ob meiner Facetten und freue mich, dass ich noch viele entdecken darf. Und da ich ja die ernsthafte Seite an mir sehr, sehr gut kenne, ist es für mich kein Manko, wenn ich das nicht immer herzeigen kann. Ich finde das eine oder andere weder besser noch schlechter.

Sie haben früh mit dem Theater begonnen.

Ja, ich hab mit acht Jahren am Burgtheater eine Kinderrolle gespielt, und mit 15 war ich dort fix. Der Weg war immer klar. Schon bei den Muttertagsvorstellungen im Kindergarten war ich die Erste, die geschrien hat, dass sie mitmachen will. Beim Kasperl bin ich vorn gestanden und hab schon mitgespielt. Ich wollte immer auf die Bühne.

Mit acht waren Sie also quasi angekommen.

Ja, es war auch für mich ganz normal, vor diesen 1500 Leuten zu spielen. Ich hatte nicht eine Sekunde Bedenken. Mein Erwachen kam später. Mit 15 an das Burgtheater zu kommen entspricht nicht der Normalität. Und wir wissen ja auch, dass viele Kinderstars daran zerbrochen sind. Mein Erwachen kam mit 30. Da ist mir bewusst geworden, was da alles hätte passieren können.


Gab es dafür einen Anlass?

Das war der Tod meiner Mutter, zu der ich ein ganz enges Verhältnis hatte. Er hat große Aufräumungsprozesse in Gang gebracht.

Wie sind Sie diese angegangen?

Es war so, dass wohlmeinende Menschen mir vorgeschlagen haben, Tabletten zu nehmen. Ich habe mich verweigert, ich habe gesagt, dass ich das durchleben wolle. Da hat jeder sein eigenes Konzept. Ich wollte der Trauer ins Auge sehen, um sie dann ziehen lassen zu können. Wir beschäftigen uns ja alle viel zu wenig mit dem Tod. Ich glaube, dass vieles von dem, was wir tun, damit zu tun hat, dass wir den Tod ausblenden. Wenn ich so beobachte, sehe ich, was diese Verdrängung auch für Verschrobenheiten und Verrücktheiten in uns auslöst. Was wir allem hinterherrennen müssen, weil wir denken, wir können das aufhalten. Oder auch dieser unfassbar anstrengende Jugendwahn. Was wir Frauen alles mit uns machen lassen, damit wir jung, sexy, begehrt sind, bis wir 60, 70, 80 sind. Das, glaube ich, hat damit zu tun, dass wir nicht akzeptieren wollen, dass wir irgendwann in der Form nicht mehr da sind.


Gibt es etwas, was Sie beeinflusst hat?

Es gibt dieses Buch von Neale Donald Walsch: „Wenn alles sich verändert, verändere alles“. Ich bin doppelter Stier und hätte am liebsten, dass alles so bleibt, wie es immer war, dass alles geordnet ist und nichts passiert. Nachdem ich das aufgegeben habe, ist mein Leben wesentlich leichter geworden. Das Leben ist permanente Veränderung. Das ist der Inhalt des Lebens. Das ist Dasein! Das ist eine Erkenntnis, die mir das Leben viel bunter und freier macht.


Stellt „Superwelt“ eigentlich auch die Frage nach der Superwelt, einer besseren Welt ohne Supermärkte und Kassajobs?

Meine Schwester hat in Eibiswald einen Sparmarkt. Er gehört ihr, und sie macht sehr oft Kassadienst. Ich habe das Gefühl, dass das für sie ein sehr erfüllendes gutes Leben ist. Ich glaube, dass der Titel „Superwelt“ mehr damit zu tun hat, dass sich das Große im Kleinen wiederfindet. Und ich bin auch zu der Erkenntnis gekommen, dass für verschiedene Menschen verschiedene Dinge stimmig sind. Diese Flexibilität sollten wir uns erhalten. Ich bin sowieso unverbesserlich davon überzeugt, dass sich alles zum Besseren wendet.

Stellen Sie sich auch manchmal die Sinnfrage „Warum bin ich eigentlich da?“.

Sie ist wie der Tod permanent da. Wenn ich es wirklich gar nicht mehr weiß, fällt mir ein, dass ich da bin, weil es für das große Ganze anscheinend irgendwie wichtig ist. Und wenn mir dann noch weiter nichts einfällt, dann sage ich: Ich bin dafür da, dass es den anderen und mir durch meine Anwesenheit besser geht. Und wenn es nur ein Augenblick pro Tag ist, in dem man sagt, dass man jetzt den Tag für jemanden schöner gemacht hat, und für einen selbst auch.

Frau Beimpold, darf man Sie auch fragen...


1...warum Sie nicht mehr am Burgtheater sind?

Weil ich mich nach 22 Jahren Engagement neu orientieren wollte, um künstlerisch erwachsen und eigenverantwortlich zu arbeiten.


2...was Sie an „Was gibt es Neues“ lustig finden?

Dass es fürs Publikum und für die fünf „schlimmen Buben“ und mich gleichermaßen ein Spaß ist und ich immer wieder verblüfft bin, dass man auf Antworten kommen kann, von denen man nicht gewusst hat, dass es sie überhaupt gibt.


3...was Sie an Stefan Zweigs Novelle „Brief einer Unbekannten“, die Sie gerade als Hörbuch gelesen haben, berührt hat?

Die Präzision der Sprache und die dichte Gefühlswelt dieser Frau, und dass eine Liebe so stark sein kann und im Gegenüber kein Echo findet.

Steckbrief

1967 wurde Ulrike Beimpold in Wien geboren. Mit 15 wurde sie ans Burgtheater engagiert, nebenbei besuchte sie die Schauspielschule Krauss.

2000 verließ sie die Burg, um freier zu sein. Sie arbeitete
u. a. an der Volksoper und bei den Festspielen Reichenau.

2006 gab sie beim Lehár-Festival Bad Ischl ihr Debüt als Regisseurin. Sie hält Rezitationsabende und Lesungen.

2005 trat sie erstmals mit den Philharmonia Schrammeln auf. Derzeit will sie musikalisch „in eine ganz neue Richtung gehen“.

1996 und 1999 lieh sie ihre Stimme dem „Schweinchen Babe“. Sie spricht Radiospots und Hörspiele, nahm 2006 bei „Dancing Stars“ teil und ist Teil der Comedy-Show „Was gibt es Neues?“ Derzeit arbeitet sie an mehreren Soloprogrammen und an einem neuen Buch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.03.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.