Superar in der Brotfabrik: „Beim Singen ein gutes Gefühl“

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Bei Superar lernen benachteiligte Kinder singen und musizieren. So kommen sie bis zu den Sängerknaben – und zur Eröffnung des Song Contest.

Ob er auch zu jenen gehöre, die selbst im Badezimmer singen? „Ja“, sagt Deniz. „Im Badezimmer, am Klo, in meinem Zimmer, in der Schule, im Turnsaal.“ Er hat aber auch schon im Konzerthaus gesungen, und jetzt, am Montagvormittag, gerade im Haus der Wiener Sängerknaben. Dort hat er vorgesungen. Wie es war? „Gut“, sagt Deniz. „Schön.“

In Hemd und Karopullover steht der dunkelhaarige Siebenjährige im Park vor dem Palais des weltberühmten Bubenchors. Mit Glück wird er im Herbst aufgenommen. Wenn er singe, sagt er, dann habe er „ein gutes Gefühl“. Mozarts „Ave Verum“ mag er gerade gern. Oder ein Lied über den Joulupukki, eine finnische Weihnachtsfigur. Ob er, fragt er hilfsbereit, dessen Schreibweise aufschreiben soll?

Deniz stammt aus einer türkischen Familie, lebt in einer betreuten WG, will später einmal Sozialpädagoge werden und ist wohl so ziemlich das, was die Gründer von Superar sich erträumt haben, als sie den Verein 2009 gegründet haben. Inspiriert ist die Wiener Initiative vom Komponisten José Antonio Abreu, der mit seiner Initiative El Sistema in Venezuela bereits 1975 Orchester für Jugendliche aus den armen Barrios ins Leben gerufen hat. Heute werden in Wien 900 Kinder musikalisch unterrichtet, 1100 sind es in Österreich, weitere 780 an zehn Standorten in der Slowakei, der Schweiz, Liechtenstein, Rumänien und Bosnien – überall dorthin hat die Wiener Initiative bereits ausgestrahlt. Angesiedelt ist das von Caritas, Konzerthaus, Sängerknaben und Sponsoren getragene Projekt in der Ankerbrotfabrik in Favoriten. Hier probt auch das (außerschulische) Orchester; der Gesangsunterricht findet vor allem in den kooperierenden Volksschulen statt.

18 Sprachen in einer Klasse

In einer davon, in der Wichtelgasse, unterrichtet Rafael Neira-Wolf, der Deniz auf das Vorsingen vorbereitet hat. „Ich bin Türke, er ist Serbe – und wir sind Feinde“ – so hört es sich mitunter an, wenn sich Schüler vorstellen. In einer Klasse mit 23 Schülern zählte er 18 Muttersprachen. Zwei Monate, sagt er, habe es gedauert, „bis es egal war, ob jemand Türke ist – Hauptsache, er kann Alt halten. Die Kinder erleben, dass sie mehr als nur eine Überschrift sind.“ Sondern jemand mit Stärken und Schwächen, die nicht nur davon abhängen, ob man die richtige Sprache kann.

Neira-Wolf – dunkle Locken, Jeans, war gerade mit seiner Band in Budapest – ist einer, bei dem man sich gut vorstellen kann, dass ihm auch die schwierigen Kinder vertrauen, und dass sie sich auch von seiner Begeisterung anstecken lassen. „Wenn man erst einmal weiß, was sie schon durchgemacht haben, dann ist es bewundernswert, was sie leisten – auch wenn sie sich zwischendurch prügeln.“ Als Sohn eines mexikanischen Pianisten in Sievering aufgewachsen, weiß auch er, was es heißt, sich fremd zu fühlen – wenn auch unter etwas anderen Vorzeichen. „Die Kinder“, sagt er, „kämpfen irrsinnig mit ihrer Identität.“ Musik könne helfen, Identität zu stiften. Aber auch, sich Ziele zu setzen, Kritik auszuteilen und anzunehmen, diszipliniert zu sein.

Die Bühnenarbeiter des Song Contest, erzählt er, seien jedenfalls erstaunt gewesen, wie effizient die Superar-Kinder sind, wenn es darauf ankommt. Am Freitag waren sie bei der Stellprobe für ihren Auftritt in der Stadthalle: Der ORF hat Superar als Teil der Song-Contest-Eröffnung auserkoren; gemeinsam mit Sängerknaben bilden sie den Chor, wenn Conchita Wurst und Rapper Left Boy die „Building Bridges“-Hymne singen. Die Probe dazu bleibt den 75 Superar-Kindern schon jetzt in Erinnerung. „Einen Becher voll Tränen“, sagt Sängerknaben-Kandidat Deniz, habe er geweint, als unerwartet Conchita Wurst im Scheinwerferlicht gestanden und singend auf die Kinder zugekommen sei.

Auf einen Blick

Superar entstand 2009 nach Ideen des venezolanischen Komponisten, Ökonomen, Politikers, Erziehers und Aktivisten José Antonio Abreu. Es wird von Caritas, Sängerknaben und Konzerthaus getragen und betreut heute 1100 Kinder und Jugendliche an 16 Standorten in Österreich und 780 im benachbarten Ausland. Das Zentrum liegt im Objekt 19 der Brotfabrik. Am 23. Mai singt ein Superar-Chor die „Building Bridges“-Hymne zur Eröffnung des Song Contest.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.05.2015)

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