Kate Beckinsale: „Als würden wir auf eine Katastrophe warten“

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Kate Beckinsale über peinliche Liebesszenen, den schwierigen Deal namens Elternschaft und den Druck der Öffentlichkeit vor ihrem Vierziger.

Mit Filmen wie „Shooting Fish“ und „Last Days of Disco“ eroberte die britische Schauspielerin Kate Beckinsale die Herzen der Kritiker. Spätestens nach „Pearl Harbour“ war sie auch dem großen Publikum ein Begriff und mit der „Underworld“-Fantasy-Serie wurde sie sogar zum Action-Star. Mit ihrer Rolle der Journalistin Simone Ford an der Seite von Daniel Brühl in Michael Winterbottoms neuem Film „Die Augen des Engels“ kehrt sie nun zu ihren Wurzeln des Independent-Kinos zurück.

Was ist wichtig, wenn man eine Journalistin spielt?
Das ist bereits die zweite Journalistin, die ich spiele. Und zuerst konnte ich mich mit diesen Figuren nur bis zu einem gewissen Grad identifizieren. Es ist eigenartig, aber wir haben als Schauspieler eine gewisse Distanz zu Journalisten, irgendwie empfindet man sie auch immer ein bisschen als „den Feind“. Je länger ich mich dann damit beschäftigt habe, desto interessanter fand ich, wie viele Überschneidungen es letztendlich zwischen unseren Berufen gibt.



Wo sehen Sie die Parallelen?
Es ist die Art, wie wir das Leben beobachten. In meinen Beruf durchlebe ich diverse Emotionen und denke dann zum Beispiel: So fühlt es sich also an, verlassen zu werden. Und ähnlich ist es, wenn ein Journalist eine Geschichte über ein menschliches Schicksal hört. Dann denkt er genauso wie ich: Das könnte man für eine Geschichte gebrauchen. Und das hat nichts mit Zynismus zu tun. Das ist einfach ihr Job.

Haben Sie zum ersten Mal mit einem deutschsprachigen Schauspieler vor der Kamera Liebe gemacht?
Interessanterweise ja.

Sind deutschsprachige Schauspieler gute Filmliebhaber?
(Lacht) Absolut. Ich kann Daniel Brühl jeder Kollegin wärmstens empfehlen. Natürlich sind Liebesszenen eindeutig immer auch etwas peinlich. Liebesszenen sind wirklich ein sehr seltsamer Teil meines Berufs. Mein Mann war bei den Dreharbeiten und Daniels Freundin auch. Und dann sagt man seinem Partner: Entschuldige mich für einen Moment, ich muss kurz mit einem anderen Mann ins Bett. Letztendlich versuche ich aber, solche Szenen genauso zu spielen wie jede andere Szene auch.

Daniel Brühl ist einer der wenigen Schauspieler aus Deutschland, die international Karriere machen. Was ist sein Kapital?
Daniel kommt zwar aus Deutschland, aber er hat auch spanische Wurzeln. Das ist eine interessante Mischung. Er hat diese respektvolle deutsche Zurückhaltung und gleichzeitig spanische Leidenschaft. Und dann ist er einfach ein sehr verletzlicher Mann mit einem sehr offenen Herzen. Das macht ihn sehr kreativ. Und ich finde, er hat enormes Talent. Er denkt sehr viel nach. Wir haben uns ein bisschen angefreundet. Aber es ist schwierig, Kontakt zu halten. Angeblich hat er mir eine E-Mail geschrieben. Aber die habe ich nie bekommen. Ich muss mal in meinen Spam-Ordner schauen . . .

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Angeblich sprechen Sie sehr gut Deutsch. Wo haben Sie das gelernt?
In der Schule. Da war es eines meiner Fächer: Französisch, Deutsch und Russisch. Das war ganz praktisch, als ich jetzt mit Daniel Brühl gearbeitet habe: Daniels Freundin kam zu Besuch, und wir fuhren alle zusammen in einem Auto. Die beiden fingen an sich zu unterhalten, natürlich sehr intim, in der Annahme, ich könne sie nicht verstehen. Ich habe dann erst einmal gesagt: „Stopp, Leute! Ich verstehe alles. Also hört auf, euch unanständige Sachen zu sagen.“

Sie sind jetzt zehn Jahre verheiratet, Ihre Tochter ist ein Teenager. Fühlen Sie sich erwachsen?
Ich finde es vor allen Dingen unglaublich, wie schnell die Zeit vergeht. Ich bin eigentlich gar nicht so fixiert auf mein Alter. Aber ich sehe es eben daran, wie alt meine Tochter jetzt ist. Ich bin relativ jung Mutter geworden. Die meisten meiner Freunde werden jetzt erst Eltern. Und deswegen wissen sie nicht, wie es sich anfühlt, wenn die Tochter plötzlich 16 Jahre alt ist.

Und wie fühlt sich das an?
Das ist ein enormer Schritt. Wie kann sie schon so erwachsen sein? Vorher hatten wir eine Art symbiotische Beziehung. Und mit diesem Alter setzt eine Phase der Trennung ein. Sie wird selbstständiger, und das soll ja auch so sein. Elternschaft ist eigentlich ein blöder Deal. Wenn man es richtig macht, widmet man sein Leben diesem anderen Menschen, der dich dann verlässt. Wie soll man denn damit klarkommen? Glücklicherweise habe ich die beste Tochter aller Zeiten. Und trotzdem: Als sie fünf Jahre alt war, musste ich mir keine Gedanken über ihre Freunde machen.

Und jetzt?
Jetzt mache ich mir Sorgen, sie könnte den falschen Leuten begegnen. Diesen Gedanken finde ich sehr beängstigend.

Sie ist jetzt in dem Alter, in dem junge Männer ihr Liebesbriefe schreiben?
Ich wünschte, sie würden nur Liebesbriefe schreiben! Das sind die Zeiten, die ich mir gerade zurückwünsche. Es existieren heute einfach so viele Dinge, die es noch nicht gab, als ich jung war. Bei uns gab es kein Internet, keine sozialen Medien oder Mobiltelefone. Und ich glaube, es war gut so. Früher kauften sich Jungs heimlich einen „Playboy“ und in den kommenden fünf Jahren wurde das Magazin unter den Freunden herumgereicht. Moderate Pornografie in kleinen Mengen ist für Teenager eine gesunde Sache. Aber die Situation jetzt ist ein verdammtes Desaster!

Wie waren Sie als 16-Jährige?
Wenn ich zurückblicke, war es eine spannende Zeit. Da fing ich an, eine Identität zu entwickeln. Wer bin ich und was werde ich einmal sein? Aber das ist meine heutige Perspektive als Erwachsene. Als ich selbst noch Teenagerin war, fand ich es ganz schön beängstigend. Und heute frage ich mich: Warum hast du damals so gelitten?

Mit welchen Gedanken sind Sie 40 Jahre alt geworden?
Ich habe festgestellt, dass sich meine Prioritäten im Leben eigentlich gar nicht so sehr verändert haben, seit ich meinen 30. Geburtstag gefeiert habe. Aber es ist eigenartig, wie die öffentliche Wahrnehmung ist. Ab unserem 35. Geburtstag sollen wir Angst vor der Vierzig haben. Die Medien bauen einen enormen Druck auf, für Frauen im Allgemeinen und Schauspielerinnen im Speziellen. Es fühlt sich an, als würden wir alle auf eine schreckliche Katastrophe warten.

Und was hat sich verändert?
Ich bin heute wahrscheinlich weniger arrogant dem Leben gegenüber. Wenn du jung bist, denkst du, du hast das Leben neu erfunden, die Liebe und all das. Und es heißt ja immer, mit zunehmender Lebenserfahrung kann man seine Kräfte besser einschätzen und hat weniger Angst. Ich stelle aber fest, dass ich heute vielleicht sogar noch mehr Angst habe, weil ich mehr und gleichzeitig doch weniger weiß. Und das macht mich demütig. Aber als junger Mensch braucht man diese Attitüde. Sonst würde man vor lauter Bedenken nie das Haus verlassen.

Was haben Sie sich für die kommenden Jahre vorgenommen?
Ich habe mit einem Freund zusammen die Rechte an einem Buch gekauft, aus dem wir einen Film machen wollen. Ich werde das Drehbuch schreiben. Eigentlich wollte ich ja immer Autorin werden. Aber plötzlich kamen die Schauspielkarriere und das Baby und mein Leben veränderte sich in eine andere Richtung. Ich will jetzt wieder anfangen zu schreiben.

Tipp

„Die Augen des Engels“ rollt den wahren Kriminalfall um die Studentin ­Amanda Knox, die ihre Mitbewohnerin ermordet haben soll, von hinten auf. Regie: Michael Winterbottom. Ab 22. Mai im Kino.

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