Gin und ein Schuss Alpenerde

Themenbild
Themenbild(c) Bloomberg
  • Drucken

Sigrid Ehm wurde vom Bombay Sapphire zur kreativsten Bartenderin gekürt. Vor allzu großen Experimenten warnt sie trotzdem.

Manchmal gehen die Dinge schnell. Erst eine Woche vorher hatte Sigrid Ehm begonnen, sich mit ihrer neuen Ingredienz auseinanderzusetzen. Im Branchenmagazin „Rolling Pin“ hatte sie einen Bericht über Kochen mit Erde gelesen und war begeistert. „Man ist ja auch für Cocktails immer auf der Suche nach neuen Zutaten und Geschmäckern.“

Beim Wettbewerb in London ging es dann ebenfalls schnell. Oder eher: Erst einmal schief. „Ich hatte die Erde mit und wusste, dass ich etwas mit ihr machen will“, erzählt Sigrid Ehm über ihr Antreten beim Finale des von Ginhersteller Bombay Sapphire organisierten Kreativturniers. Doch das, was sie da aus Wein und Kirschen gebraut hatte, habe „einfach nur nach Glühwein geschmeckt“. Ehm besann sich neu, blieb bei ihrem halben Kilo bei Harrods gekaufter Kirschen („Ich hab mein ganzes Geld für sie ausgegeben, sie mussten rein“) und erfand damit: El Diamante. Die Variante eines Martinis, aus Gin und Zitrone, Kirsch-Noilly Prat und einem Schuss Sirup aus Salz und Erde.

Natürlich nicht irgendeine Erde, präzisiert sie: vielmehr ihre feinste Version aus den Schweizer Hochalpen, frei von Schwermetallen und Düngemitteln und hygienisch unbedenklich, zubereitet von Österreichs Experten auf diesem Gebiet (Fritz Treiber und Helmut Jungwirth vom Grazer Geschmackslabor arbeiten gemeinsam mit dem experimentierfreudigen Schweizer Koch Rolf Caviezel an der Erforschung des ungewöhnlichen Lebensmittels). Am Ende war der aus Bayern stammenden Wienerin aus der Hammond Bar der Sieg sicher.

Kreidetaferln und Müslischalen

Dabei wäre die Barkeeperin aus der Taborstraße fast nicht dabei gewesen. Drei Mal hatte der Wettbewerb bisher stattgefunden, Ehm wartete nur auf den Bewerbungstermin. Irgendwann kam sie drauf, dass Österreich heuer gar nicht als Teilnehmerland vorgesehen war. Ihre Hartnäckigkeit gewann, sie bekam eine Wildcard für die Reise nach Spanien: Jedes Jahr stellt der Ginhersteller den Barkeepern einen Herkunftsort seiner Zutaten vor, heuer waren die Zitronen und Mandeln in Alicante das Ziel. Ehm war überrascht: Die Zitronen, berichtet sie, würden per Hand geerntet „und von zwei alten Omis per Hand geschält“, zu den Mandeln ist es über Stock und Stein im Kleinbus gegangen. „Man sieht wirklich, wie viel Liebe die Leute hineinstecken“, bis in der Londoner Destillerie der Gin entsteht. Die aktuelle Gin-Manie kann sich die 27-Jährige indes nicht ganz erklären. „Ich geh' nicht nach Trends, nur nach der Meinung der Leute“, sagt sie. „Zu uns kommen ganz normale Leute, die kein ,Mixology‘ lesen oder aus der Gastronomie kommen. Ärzte, Anwälte oder Desperate Housewives. Sie sollen trinken, was sie wollen.“ Und was ihnen schmeckt – auf dass sie mit wohligem Gefühl wiederkommen. Bar sei eben nicht gleich Wettbewerb. Einer Interessierten hat die Barkeeperin mit Hang zur Direktheit sogar ihren Erd-Cocktail verwehrt: „Ich hab ihr gesagt: Das schmeckt ihr nicht. Sie hat dann einen weißen Spritzer getrunken.“

Diesen Sommer ist es das dritte Jahr, das Ehm in der Hammond werkt. Nach ihrer Hotelfachausbildung in Bayern hatte sie erst im Schloss Pichlarn gearbeitet. Dort landete sie durch Zufall an der Bar „und blieb picken“. Es folgten Stationen in Tirol („Wandern und Skifahren? Sicher nicht!“) und Wien. Von (österreichischen) Hotelbars hat sie inzwischen genug. „In einer Bar bist du immer Kaffeehaus. Da ist es ein Highlight, wenn du einen Johnnie Walker Black Label ausschenkst.“

Derzeit schreibt Ehm jedenfalls ihre Karte neu, jeden Tag gibt es eine Empfehlung des Abends – schon einmal in einer englischen Müslischale serviert: Mit Begeisterung streift sie durch die Geschäfte der Umgebung, sammelt Algen, Lotusblätter und kleine Taferln für den Schulanfang. „Man kann alles brauchen“, sagt die Wahl-Wienerin gern. Fast so gern wie „Oida“.

ZUR PERSON

Sigrid Ehm (27) stammt aus dem ländlichen Bayern und ist ausgebildete Hotelfachfrau. Nach Stationen im steirischen Schloss Pichlarn, dem Hotel Cervosa in Serfaus und dem Wiener Grand Hotel arbeitet sie seit 2012 in der Hammond Bar in der Taborstraße. 2012 gewann sie mit Sascha Ferstl die „Cook& Shake“-Challenge, vor zwei Jahren wurde sie von „Falstaff“ als Rookie-Bartender des Jahres ausgezeichnet. Anfang Juni gewann sie den Titel als Bombay Sapphire World's Most Imaginative Bartender.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.06.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.