Die neuen ORF-Dokumacherinnen

Mayr-Keber und Griessler (re.)
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„Wen zu verarschen, ist billig“. Griessler und Mayr-Keber wollen Dokus mit Witz für ein junges Publikum machen. Das neue Werk heißt „Das Geschäft mit den Haustieren“.

„Am Schauplatz“ und die „Alltagsgeschichten“, das sind die seit Langem führenden Doku-Formate des ORF. Mit Constanze Griessler (42) und Franziska Mayr-Keber (38), arbeiten bei 3sat/ORF nun zwei Dokumentarfilmerinnen, die anderen Sendungsgestaltern am Küniglberg Konkurrenz in Sachen Qualität und spannende Erzählformen machen.

Die beiden haben sich in der ORF-Kulturredaktion kennengelernt und sind seitdem nicht nur Kolleginnen, sondern auch gute Freundinnen, die jetzt zusammen Dokus machen: Gesellschaftspolitisch und mit Schmäh sollen sie sein, aber ohne den Protagonisten vorzuführen. „Weil wen einfach nur zu verarschen, ist billig“, sagt Griessler. Und zentral in ihrer Arbeit: Vor allem junges Publikum soll sich angesprochen fühlen. „Die Leute sehen ja nach wie vor fern, man muss versuchen, die Jüngeren zu kriegen“, sagt Griessler. Darum sind etwa soziale Medien in ihren Dokus ein Thema – sie bewerben die Filme andererseits in diesen Netzwerken. „Wir wollen Jugendlichen Lust auf gut recherchierte Fernseh-Dokus machen.“, sagt Griessler.

Beef Tatar im Bristol

Mittlerweile gibt es von „Stanzi und Franzi“ – so wird das Duo im Sender gerufen – schon einiges zu sehen. Nach Dokus wie „Die erschöpfte Gesellschaft“, „Auf gute Nachbarschaft – die Grätzelfizierung Wiens“ oder „Die überwachte Gesellschaft“ wurde soeben die Doku „Das Geschäft mit den Haustieren“ ausgestrahlt und ist noch bis 20. Juli in der 3-sat-Mediathek zu sehen.

Der stilistische Drahtseilakt zwischen Witz und Sarkasmus ist den Filmerinnen auch diesmal gelungen – obwohl das Thema ob vieler Skurrilitäten durchaus Raum für Ironie gelassen hätte. Denn da erfährt man etwa, dass das Nobelhotel Bristol eine Luxusschiene für vierbeinige Gäste hat: Auf der Karte finden sich eigene Menüs für Hunde und Katzen – von gedünsteter Kapaunbrust über Beef Tatar bis zum Fisch der Saison serviert der Küchenchef alles, was das Tierherz begehrt. Jeder Hund bekommt als Geschenk ein personalisiertes Stück Hirschgeweih – natürlich und bio. Nach dem Essen macht der Concierge einen Verdauungsspaziergang mit dem Hund.

Aber nicht nur das kulinarische Vergnügen für Vierbeiner ist vom Wandel begriffen. Auch das kulturelle Vergnügen für die Tiere entwickelt sich weiter: So gibt es jetzt bereits Kunstperformances für Hunde. „Und andererseits haben es Tiere in die Hochkultur geschafft – man denke nur an Filmtiere, die Kunst für uns machen – oder etwa an das Cat-Video-Festival, das Tausende Besucher hat“, sagt Griessler.

Mehr Mensch als Tier

„Es ist zwar eine Doku über das Tier, erzählt aber eigentlich viel über die Menschen – und das ist es, was uns interessiert“, sagt Mayr-Keber.

Haustiere seien das Herz in einer herzlosen Welt – ein Tier werde heutzutage als Familienmitglied verstanden, das einen bedingungslos liebt. Und diese Bindung macht die Tier-Mensch-Beziehung zu einem boomenden Milliardengeschäft – denn wer seinen vierbeinigen Freund liebt, der gibt für ihn auch Geld aus.

In den vergangenen zehn Jahren sind die Umsätze im Haustierbereich um satte 50 Prozent gestiegen. So hat etwa der Bio- und Vegantrend längst die Tierfutterindustrie erreicht – bei Magenproblemen wird dem Hund nun magenschonende Kräuterkost verabreicht. Auch die Tiermedizin gleicht sich immer mehr der Humanmedizin an: Hunde werden gegen Rückenprobleme zum Aquajogging geschickt. Mittlerweile geht man regelmäßig zur Vorsorgeuntersuchung – und auch für Hunde gibt es bei Verdacht auf Bandscheibenvorfall nun MRT-Untersuchungen.

Und nicht nur das. Selbst die Schönheitschirurgie gibt es nun für das Tier. So bekommen stolze Königspudel nach der Kastration etwa Silikonhoden eingesetzt – damit das Selbstbewusstsein nicht leidet. Griesslers Selbstbewusstsein gegenüber Tieren ist jedenfalls ein neues. „Ich muss jetzt nicht mehr die Sraßenseite wechseln, wenn ich einen Hund sehe. Ein Riesenerfolg“, sagt sie. Und das, obwohl es bei den Dreharbeiten durchaus traumatisierende Momente gab: Mayr-Keber wurde von einem vierbeinigen Protagonisten in das Gesäß gebissen. Von Tieren haben die beiden vorerst genug. Als Nächstes soll das Thema „Scheitern“ aufgearbeitet werden.

ZUR PERSON

Constanze Griessler ist gebürtige Wienerin, 42 Jahre alt, hat Theaterwissenschaften und Philosophie studiert. Begonnen hat sie beim Jugendmagazin „Wie Bitte“, ist von dort bald in die Kulturredaktion gewechselt. Seit 1. 1. ist sie bei 3sat, macht dort Dokus und entwickelt Social-Media-Konzepte.

Franziska Mayr-Keber ist Wienerin, Juristin 38 Jahre alt. Sie arbeitete von Beginn an in der ORF-Kulturredaktion und ist künstlerisch tätig.

(Print-Ausgabe, 16.07.2016)

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