Die 71. Auflage des Forums Alpbach steht im Zeichen der Eröffnung des neuen Congress Centrums - und des Generalthemas "Neue Aufklärung".
Teile dieser Welt scheinen aus den Fugen zu geraten.“ Es wirkt nicht unbedingt so, als Markus Bischofer, Bürgermeister von Alpbach, diese Worte spricht. Zu sehr sieht es nach Idyll aus – auf dem Dorfplatz stehen die Schützen in ihren Uniformen, von den Balkonen schauen Gäste interessiert über die prachtvoll arrangierte Blumendeko. Und auf dem Platz neben der Kirche steht die Prominenz, um mit dem Tirol-Tag das Europäische Forum Alpbach 2016 offiziell zu eröffnen. Die Denkwerkstatt, die heuer zum 71. Mal im Tiroler Bergdorf stattfindet – und die diesmal unter dem Generalthema „Neue Aufklärung“ steht. Jene Aufklärung ist es auch, die Bischofer dann rund um seine Einschätzung der Weltlage aufgreift. Mit der Hoffnung, dass sie von Alpbach aus „bei den Vernünftigen dieser Welt ankommt“.
Mehr als 700 Referenten und an die 5000 Teilnehmer denken hier bis 2. September über die Aufklärung nach – in Bereichen wie Gesundheit, Technologie, Politik, Hochschule, Wirtschaft, Finanzen und Baukultur. In der Hoffnung, neue Lösungen für die Probleme der Welt zu finden und sie auch von Tirol aus weiterzuverbreiten. Die Voraussetzungen dafür sollten mit der diesjährigen Auflage noch besser sein. Immerhin hat man mit dem Ausbau des Congress Centrums bedeutend mehr Kapazitäten für Diskussionsrunden und Debatten. Das neue Gebäude steht dann auch im Zentrum des Dankes, der bei der Eröffnung von den Rednern ausgesprochen wird; Dank unter anderem an die finanzielle Förderung durch das Land Tirol, aber auch an Südtirol und die Region Trentino, die sich ebenfalls beteiligt haben. Und selbstverständlich sind auch die drei Repräsentanten der Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino anwesend.
„Heimat ist keine Käseglocke“
Tirols Landeshauptmann, Günther Platter, mahnt in seiner Rede vor allem zu einer verbalen Abrüstung. Denn Worte könnten verletzen und seien eine Vorstufe zur Gewalt. Und er zitiert EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker mit den Worten, dass es ein Europa brauche, das die großen Linien ziehen, sich aber nicht mit Kleinigkeiten beschäftigen soll – ein Aufeinandertreffen mit Juncker sollte es später auch noch bei der Eröffnung des Congress Centrums geben. Platters Südtiroler Amtskollege, Arno Kompatscher, folgt mit einer ähnlichen Argumentation – in einer komplexer werdenden Welt sei die Verlockung groß, einfache Antworten auf komplizierte Fragen zu finden. Hier bestehe die Gefahr, in Nationalismen zurückzufallen. Aber „hier in Alpbach“, so Kompatscher, „wird Europa gelebt“. Die Heimat dürfe jedenfalls „keine Käseglocke“ sein, die andere ausschließe.
Abseits der politischen Agenda betont Forumspräsident Franz Fischler wiederum, warum das Thema Aufklärung als Generalthema so wichtig sei. Weil nämlich ihre Leuchtkraft verblasst sei, brauche es eine Renaissance des unabhängigen Denkens. Und gleichzeitig stelle man dem Begriff auch ein „neu“ voran, weil es eben nicht nur um eine Renaissance gehe, sondern auch um eine Neudeutung.
Die Debatten darüber sollen nun im neuen Congress Centrum stattfinden – und dieses wird nach der Eröffnungszeremonie festlich eingeweiht. Kapelle, Schützen und Ehrengäste pilgern den Weg hinauf – und oben segnet Luigi Bressan, Alterzbischof von Trient, das neue Gebäude. Dieses soll auch abseits des Forums genützt werden – bei zahlreichen Kongressen, die bereits gebucht sind. Und unter österreichischem Vorsitz im Jahr 2018, sagt Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter nach der Segnung, soll auch der EU-Rat der Landwirtschaftsminister in Alpbach abgehalten werden.
Das neue Congress Centrum, die vielen Ehrengäste – in Alpbach läuft es rund um das heurige Forum also offenbar gut. Mögen auch Teile dieser Welt aus den Fugen geraten sein.
AUF EINEN BLICK
Europäisches Forum Alpbach. Im Tiroler Bergdorf findet zum 71. Mal das Forum statt, das heuer unter dem Generalthema „Neue Aufklärung“ steht. Nach dem Auftakt mit der Seminarwoche starteten gestern, Sonntag, die Gesundheitsgespräche. Die Veranstaltungen finden unter anderem im neu eröffneten Congress Centrum statt. Das Forum dauert noch bis 2. September.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.08.2016)