Al Gore: "Es ist noch nicht zu spät"

Al Gore, Ex-US-Vizepräsident
Al Gore, Ex-US-Vizepräsident(c) REUTERS (CHRISTOPHER ALUKA BERRY)
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Al Gore, Ex-US-Vizepräsident, kämpft mit "Eine unbequeme Wahrheit - Unsere Zeit läuft" wieder gegen den Klimawandel. Der 69-jährige Ex-Präsidentschaftskandidat über Hoffnungen, eine Nachhaltigkeitsrevolution und seinen neuen Film.

Dass das Kino ein effektives Hilfsmittel im Kampf gegen den Klimawandel sein kann, hat Al Gore bereits vor elf Jahren mit der Oscar-prämierten Dokumentation „Eine unbequeme Wahrheit“ erlebt. Nun kehrt der ehemalige Politiker und US-Vize-Präsident mit der Fortsetzung „Immer noch eine unbequeme Wahrheit – Unsere Zeit läuft“ vor die Kamera zurück. Wir trafen den 69-jährigen ehemaligen Präsidentschaftskandidaten zum Interview.

Vor elf Jahren sagten Sie in der Dokumentation „Eine unbequeme Wahrheit“, dass es für die Welt keine Rettung mehr gäbe, wenn nicht im Lauf der nächsten zehn Jahre drastische Maßnahmen getroffen würden. Ist es nun zu spät?

Al Gore: Es ist immer noch nicht zu spät, die schlimmsten Konsequenzen der Klimakrise zu verhindern. Einige Maßnahmen wurden ja umgesetzt und beginnen zu greifen. In den USA, China und auch Europa sinken die CO2-Emissionen seit drei Jahren. Das ist natürlich nicht genug. Unsere Lage ist schlechter als damals beim ersten Film. Die Gefahren sind größer, als es die meisten Wissenschaftler zunächst angenommen haben.

Deswegen die Fortsetzung „Immer noch eine unbequeme Wahrheit“?

Genau. Was bleibt, ist die Herausforderung, genug politischen Willen heraufzubeschwören, die Lösungsversuche auch umzusetzen. Worum es mir mit diesem zweiten Film geht, ist nicht nur, die Menschen vor den wachsenden Gefahren zu warnen. Ich will auch Hoffnung verbreiten und zeigen, dass sich durchaus etwas tun lässt.

Gelingt es Ihnen selbst immer, hoffnungsvoll zu bleiben?

Natürlich habe auch ich Tage, an denen ich die Hoffnung einmal verliere. Wenn wir auf die großen Kämpfe der Menschheitsgeschichte blicken – von der Abschaffung der Sklaverei über die Etablierung der Frauenrechte bis hin zur Gleichberechtigung von Homosexuellen in den vergangenen Jahren – ist nicht zu übersehen, dass es immer lang dauerte und ein erfolgreiches Ende oft unmöglich erschien.

Manchmal erscheint es, ganz drastisch gesagt, so, als seien Kapitalismus und Klimaschutz einfach nicht kompatibel.

Ich widerspreche nicht, dass unsere derzeitige Form des Kapitalismus unserem Wohlergehen nicht unbedingt zuträglich ist. Allerdings erscheinen mir die Alternativen links wie rechts vom Kapitalismus als noch weniger erstrebenswert, schließlich haben die die großen Krisen des 20. Jahrhunderts ausgelöst. Kapitalismus und Demokratie bergen für die Menschheit das größte Potenzial, und sie bieten, verglichen mit allen anderen Systemen, die größtmöglichen Formen persönlicher, religiöser und politischer Freiheit. Aber sie müssen ohne Frage reformiert werden.

Und das halten Sie für möglich?

Ja, wir stehen am Anfang einer Nachhaltigkeitsrevolution, die die Ausmaße der industriellen Revolution annehmen könnte. Deswegen betone ich nochmals: Ich bin hoffnungsvoll, dass wir die Klimakrise gemeinsam lösen können, wenn wir alle an einem Strang ziehen.

Dass unter Donald Trump die USA aus dem Pariser Klimaabkommen ausgestiegen sind, kann aber kaum hilfreich sein, oder?

Natürlich verkompliziert es die Situation. Und ich sehe das Risiko, dass andere Länder die Gelegenheit nutzen, es den USA nachzutun. Daran, dass die Amerikaner eine Vorreiterrolle spielen beim Umstieg auf erneuerbare Energien, wird sich allerdings nichts ändern. Viele Städte und Bundesstaaten haben sich – unabhängig von der Bundesregierung – der Sache schon zu 100 Prozent verschrieben.

Sie kämpfen schon seit Jahren für unser Klima. Woher nehmen Sie den langen Atem?

Diese Aufgabe gibt mir Energie zurück und befeuert mich. Jedes kleine bisschen Fortschritt, das ich sehe, lässt mich weitermachen.

Nicht überall stößt Ihr Engagement auf Gegenliebe. Wie reagieren Sie auf Menschen, die den Klimawandel immer noch leugnen?

Mein Hauptaugenmerk gilt nicht denen, denn den Großteil meiner Energie will ich nach wie vor in meine Basisbewegung stecken, mit der wir weltweit schon 12.000 Menschen zu Klimaaktivisten ausgebildet haben. Aber ich gebe niemanden auf, und auch Skeptiker und Klimaleugner können sich ändern. ?

Steckbrief

1948. Al Gore wird in Washington geboren.

1993. Unter Bill Clinton ist er bis 2001 Vizepräsident, veröffentlicht Schriften zum Umweltschutz.

2006. Gores Doku „Eine unbequeme Wahrheit“ über den Klimawandel sorgte für Aufsehen.

2007 erhält er den Friedensnobelpreis.

2017. Die Fortsetzung von „Eine unbequeme Wahrheit“ ist nun erschienen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.09.2017)

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