"Alltagsrassismus": 6000 Euro Strafe für John Galliano

John Galliano
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Modeschöpfer John Galliano ist wegen rassistischer Beschimpfungen zu einer Geldbuße verurteilt worden. Die Strafe wurde auf Bewährung ausgesetzt. Laut Strafgericht soll es noch einmal bei einer Mahnung bleiben.

Es soll laut Pariser Strafgericht für John Galliano noch einmal bei einer Mahnung bleiben. Der ehemalige Stardesigner bei Dior wurde wegen öffentlicher rassistischer und antisemitischer Beleidigungen schuldig gesprochen. Die dafür vom Gericht festgelegte Geldbuße von 6000 Euro wird aber auf Bewährung ausgesetzt. Galliano soll also eine Chance zur Besserung erhalten.

Angesichts der Tatsache, dass ihm in Frankreich für verbale antisemitische Aggressionen im Höchstfall sechs Monate Gefängnis drohten, kommt er damit auf jeden Fall glimpflich davon. „Bestraft“ wurde er ja auch schon außergerichtlich, weil das Pariser Modehaus Dior ihn wegen seines mit dem Ansehen des Unternehmens nicht vereinbaren Verhaltens noch vor dem Urteilsspruch entlassen hat.

Anders als bei der Gerichtsverhandlung im Juni, an der der 50-jährige Angeklagte ziemlich kleinlaut teilgenommen hatte, war Galliano gestern bei der Urteilsverkündung nicht zugegen, entsprechend kleiner war auch der Ansturm der Medien, die vergeblich auf seine Reaktion gewartet haben. Heftige Diskussionen auf Twitter und anderswo im Internet belegen indes, dass der gefallene Modestar in der Welt immer noch unzählige Fans hat.


Galliano hatte vor dem Richter versichert, er habe zeitlebens „Rassismus und Antisemitismus bekämpft“. Die Staatsanwältin kaufte ihm das nicht ganz ab. Auch wenn sie Galliano nicht antijüdische Theorien unterstelle, sei sein „Alltagsrassismus und -antisemitismus, wie man ihn im Supermarkt oder Parkhaus antrifft, nicht weniger jämmerlich und erschreckend“, sagte sie Ende Juni in ihrem Schlussplädoyer, in dem sie für Galliano eine exemplarische Geldstrafe von 10.000 Euro verlangte.

Mit seinem milden Urteil, das deutlich unter diesem Strafantrag bleibt, trägt das Gericht den Entschuldigungen des Modezeichners weitgehend Rechnung. Galliano hat um Nachsicht ersucht und geltend gemacht, er habe sich wegen seiner Abhängigkeit von Alkohol und Medikamenten mehreren Entzugsprogrammen unterzogen.

Doch damals im Oktober 2010 und Anfang 2011, als er Gäste in einem Pariser Café in grober Weise anpöbelte, sei er leider so stark alkoholisiert gewesen, dass er sich fast an gar nichts erinnern könne. Er schützte eine schwere Lebenskrise vor: Ab 2007, nach dem Tod seines Vaters und wenig später seines Mitarbeiters und Gefährten Steven Robinson, sei er aus dem Gleis geraten. Er habe damals nicht nur zu viel getrunken, sondern auch diverse Psychopharmaka eingenommen, die seine Zurechnungsfähigkeit eingeschränkt hätten. „Ich weiß nicht genau, was passiert ist“, hat er beim Prozess mit Bedauern gemeint.

Nichts vergessen haben hingegen die Personen, die gegen ihn geklagt haben und nun laut Urteil je einen symbolischen Euro bekommen. Am „Tatort“, im Café „La Perle“, das damals Gallianos Stammlokal war, hat man den Modeschöpfer seither nicht zu Gesicht bekommen. Dafür wurde er auf der Hochzeit von Kate Moss gesehen, deren blaues Kleid er für diesen Anlass entworfen hat. Damit wollte er vielleicht auch zeigen, dass er in der Rassismusaffäre zwar viel Ansehen, nicht aber sein ganzes Talent verloren hat.

Er selbst bezeichnete den Moss-Auftrag in der September-„Vogue“ als „kreative Reha-Kur“. Moss habe ihn „dazu herausgefordert, wieder John Galliano zu sein“. Zuvor habe er „kaum einen Stift halten können“. Pariser Medien hatten bereits die Vermutung geäußert, Dior habe bei der fristlosen Entlassung den Skandal nur benutzt, um einen Ex-Star loszuwerden, der keine neue Ideen mehr habe. Gallianos Platz bei Dior ist inzwischen vergeben: Für die neuen Kollektionen wird Marc Jacobs verantwortlich sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.09.2011)

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