Kakteen: Dorn im Auge

Goldstachel. Für Freunde kostbarer Kakteen lanciert Cartier nun die Kollektion „Cactus“.
Goldstachel. Für Freunde kostbarer Kakteen lanciert Cartier nun die Kollektion „Cactus“.(c) Beigestellt
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Gartenkralle und Preziosen: Solch unheilbare Leidenschaft vermag das dornige Universum der Kakteen zu entfesseln.

Große Leidenschaften sind Krankheiten ohne Hoffnung. Was sie heilen könnte, macht sie erst recht gefährlich“, bemerkte Johann Wolfgang von Goethe. Große und gefährliche Leidenschaften bis hin zum Irrsinn gibt es viele, und auch in der unendlichen Weite der Botanik gibt es zwei Pflanzenfamilien, die das Zeug dazu haben, solche zu entfachen: Das sind zum einen die Orchideen, zum anderen die Kakteen.

Die Liebe zu Ersteren erschließt sich auch botanisch wenig bewanderten Laien angesichts der prächtigen, oft monatelang andauernden Blüte der Dschungelschönheiten. Man hat Verständnis dafür, dass auch heute noch Pflanzenjäger abgelegene Dschungelregionen Asiens und Südamerikas durchstreifen, stets auf der Suche nach einer neuen, noch nicht entdeckten Art, deren Präsentation der großen internationalen Orchideengemeinschaft den Atem raubt. Die Kakteen hingegen scheinen die sprödere und weniger eingängige Pflanzenmaterie zu sein, handelt es sich doch meist um eher kleine, unscheinbare Gewächse, für unwirtliche Wüstenregionen geschaffen, genügsam und wehrhaft. Doch wer einmal tief genug eingetaucht ist in das dornige Universum dieser Überlebenskünstler, den kann eine erstaunliche, ja unheilbare Leidenschaft erfassen.

Immergrün. Ohrringe „Cactus de Cartier“ mit Smaragden, Karneolen und Diamanten im Brillantschliff.
Immergrün. Ohrringe „Cactus de Cartier“ mit Smaragden, Karneolen und Diamanten im Brillantschliff.(c) Beigestellt

Menschenleere Gegend. Die Heimat aller Kakteen ist Südamerika. Von hier aus verbreiteten sie sich über Jahrmillionen über den gesamten amerikanischen Kontinent, langsam, beständig, dabei schier unendliche Variationen ausbildend. Was die sukkulenten Gewächse so speziell macht, ist der Umstand, dass manche Kakteenarten extrem selten sind und überhaupt nur in bestimmten Arealen auf oft nur wenigen Quadratkilometern wachsen. Insbesondere die schroffen, weitgehend menschenleeren Grenzregionen zwischen Mexiko und den USA sind das Mekka für Kakteensammler, die allesamt als Räuber und Schmuggler bezeichnet werden müssen. Denn das Seltene ist kostbar, die meisten Kakteenarten sind streng geschützt, viele sind vom Aussterben bedroht, und dennoch, oder gerade deswegen, werden sie erbeutet. Sammler zahlen illegalen Händlern astronomische Summen für Ausgefallenes, und aufmerksame Zoll­beamte auf der ganzen Welt finden immer wieder in Schmutzwäsche eingewickelte botanische Preziosen, die Geröllhalden und Wüstenböden entrissen wurden.

Mag der Kaktus auch auf den ersten Blick nicht so faszinieren wie die üppige Orchidee, so tut er es auf jeden Fall auf den zweiten. An die 1800 Arten gibt es, alle gehen auf einen einzigen Urahn zurück, und dennoch könnten sie unterschiedlicher nicht sein. Sie bezaubern mit den skurrilsten Geometrien, mit bizarren Wuchsformen, mit teils schlichtweg als sensationell zu bezeichnenden Dornenformationen, deren Mikrowunder sich dem erschließen, der sich darin vertieft. Und wenn ein Kaktus blüht, was er nur tut, wenn er die seiner Art gerechten Lebensbedingungen vorfindet, so kann das so spektakulär sein, als ob ein Stein plötzlich Feuer zu speien beginne. Wahrlich – viele Kakteenblüten stellen in ihrer berauschenden Flüchtigkeit die freizügiger gespendeten Blüten­orgien der Orchideen locker in den Schatten.

Ans Irre grenzende Liebe. Was die Krankheit der Leidenschaft heilen könnte, das also, so Goethe, macht sie erst recht gefährlich. Die Kakteenräuber sind denn auch gar nicht alle professionelle, auf Profit bedachte Gauner. Viele von ihnen treibt eine ans Irre grenzende Liebe zu den Sukkulenten auf Abwege. Als man etwa vor zwei Jahren in Kalifornien einen von ihnen samt Beute verhaftete und fragte, warum in Dreiteufels Namen er das Risiko eingehe, für ein paar kleine, dornige Gewächse ins Kriminal zu rutschen, so meinte der, er wisse es nicht, er könne einfach nicht anders.

Als der Deutschen liebster Dichter im Jahr 1786 übrigens seine italienische Reise antrat, war er selbst längst mit dem Gärtnervirus infiziert, wieder einer anderen Art der Leidenschaft, und er hatte daheim in Weimar bereits seine beiden Lustgärten angelegt. Als er sich für ein paar Monate in Rom niederließ, pflegte er dort mangels eigener Rabatten ausgerechnet einen Kaktus im Blumentopf. Es handelte sich um einen Nachfahren jener Opuntie, die mit großer Wahrscheinlichkeit der erste Kaktus war, der rund 300 Jahre zuvor mit den ersten Pflanzenjägern der Geschichte, den spanischen Eroberern, das europäische Festland erreicht hatte.

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