Garten: Rückzugsort und Erntezone

(c) Prader für Lederleitner
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Von Selbstversorgung bis Stressresistenz: Das Erleben von Gärten ist heute vielfältiger denn je.

Er soll uns Nahrung liefern, der Entspannung dienen – und dabei, natürlich, auch gut ausschauen. Die Anforderungen an den Garten sind in der jüngeren Vergangenheit nicht unbedingt kleiner geworden: Er soll nicht mehr nur schön sein, sondern Kräuter, Obst und Gemüse auch auf kleinstem Raum wachsen lassen. Die Nachfrage nach Produkten rund ums Garteln ist groß wie nie, und das zieht sich quer durch alle Schichten und über alle Freiraum-Größen.

„Es ist heute nichts Besonderes, wenn sich eine Dame der Gesellschaft mit dem eigenen Gemüsegarten beschäftigt“, weiß Markus Lederleitner, Inhaber des gleichnamigen Gartenbauunternehmens. „Vor 20 Jahren wäre das noch ein Statusverlust gewesen.“ Hier habe eindeutig ein Wertewandel stattgefunden, ist der Gartenarchitekt überzeugt, inzwischen gehe der Konsument wesentlich mehr in die Tiefe, beschäftige sich mit dem Thema Garten intensiver und konsumiere nicht nur an der Oberfläche.
Das entspricht einer Auseinandersetzung, wie man sie sonst eher aus Frankreich und England kennt, wo die Gärten seit Generationen ein sehr privater Luxus sind. „Dort entwickeln wir uns momentan hin“, ist der Experte überzeugt. „Es geht nicht darum, den Garten zu zeigen und schick zu sein. Vielmehr beschäftigt man sich damit, hat eine Beziehung, nimmt den Wechsel der Jahreszeiten bewusst wahr und wird dafür mit Düften, Geschmäckern, der Ästhetik, einem Tautropfen oder der Herbstfärbung belohnt.“

(c) Marianne Majerus

Entschleuniger. Wie hoch der Stellenwert der Entschleunigung für Österreichs Gärtner ist, macht eine jüngst von Bellaflora in Auftrag gegebene Imas-Umfrage deutlich. Von den 1000 befragten Österreichern stimmen 90 Prozent der Aussage „Der Garten ist für mich ein Ort der Entspannung und des Wohlfühlens“ einigermaßen, 52 Prozent der Teilnehmer sogar voll und ganz zu. Für vier Fünftel der befragten Gartenbesitzer ist die Arbeit „ein wunderbarer Ausgleich zu anderen hektischen Bereichen im Leben“. Empirisch untersucht wurde in dieser Umfrage auch der Zusammenhang zwischen Stress und Garten: „Wir sehen wesentliche Unterschiede in der Wahrnehmung von Zeit und Schnelllebigkeit, wenn wir Gartenbesitzer mit der allgemeinen Bevölkerung vergleichen“, analysiert Imas-Prokurist Paul Eiselsberg. Für die Gartenbesitzer liegt das Alltagstempo auf einer siebenstelligen Skala bei 5,8, die Gartenlosen empfinden es mit 5,7 etwas weniger schnell; auf die Frage, wo sie diesen Wert gern sehen würden, wünschen sich die Gartenbesitzer mit 3,5 einen langsameren Wert als der Rest der Bevölkerung mit 3,7.
„Die österreichische Bevölkerung fühlt eine starke Diskrepanz zwischen gewünschter und gefühlter Geschwindigkeit im Leben“, interpretiert Eiselsberg die Zahlen, bei Gartenbesitzern sei dieses Gefühl, die Kluft zwischen Wunsch und Realität aber noch viel stärker ausgeprägt. Der Garten wird zunehmend als Mittel gegen dieses Gefühl, dass die Zeit schneller vergehe, als einem lieb ist, genutzt. „Wo hat man denn im heutigen Arbeitsalltag sonst noch das Erlebnis, etwas wirklich fertig gemacht zu haben, oder die Möglichkeit, über zwei oder drei Saisonen an etwas zu arbeiten?“

Ernährer. All diese Bedürfnisse lassen die Bedeutung des Gartens als Rückzugsort und Erntezone weiter wachsen, Platz dafür wird auf den kleinsten Grünflächen geschaffen. „Es gibt immer mehr Selbstversorger, die ihre eigenen Kräuter, ihr eigenes Gemüse und Obst anbauen“, weiß Stefanie Starkl, Geschäftsführerin des Starkl Gartencenters Pottendorf. Für Einsteiger empfehlen sich hier Schnittlauch, Petersilie und Basilikum, aber auch Salat, Paprika, Paradeiser, Gurken und Zucchini versprechen blutigen Anfängern gute Erfolge. Ein Geheimtipp sind für Starkl Kürbisse: „Die wuchern wie verrückt“, verspricht sie.

Sind die ersten Ernten einmal eingefahren, lockt es den Neubauern, seine Fähigkeiten an weiteren, gerne exotischeren Pflanzen auszuprobieren, die derzeit in den Gartencentern der Republik im Trend liegen. „Es gibt zum Beispiel tolle neue Tomatensorten, von der schwarzen Black Krim über die gelbe Ananas- bis zur Schokoladentomate“, berichtet Starkl. Außerdem beliebt seien derzeit diverse Erdbeerpflanzen, unter anderem deshalb, weil sie viel hermachen und „dabei so dankbar sind“, wie Starkl erklärt.

(c) Marianne Majerus

Apfelernte am Balkon. Dem Trend zum Anbau auf kleinen Grünflächen wird derzeit durch neue Zwergobstsorten Rechnung getragen. Apfel-, Birnen- oder Kirschbäume gibt es in schmaler, durchaus auch balkontauglicher Form. „Diese Bäume werden zwei bis drei Meter hoch, aber nur 50 bis 60 Zentimeter breit und tragen ihre Früchte ganz schmal am Stamm“, erklärt Starkl die Eigenschaften der Bäumchen im Topf.

Wobei die Töpfe grundsätzlich über das Wohl und Wehe des Gärtnerns auf Balkonen und Terrassen entscheiden. Sind diese zu klein oder haben gar kein Loch, durch das das Wasser abfließen kann – der beliebteste Anfängerfehler – steht es schnell schlecht um das gesunde Wachstum ihrer Bewohner.

Und darum dreht sich im Moment eben alles – auch in Sachen Optik bei der Topfwahl. Waren es in den vergangenen Jahren vor allem Schattierungen von Grau, die die Gefäßauswahl dominierten, ist jetzt Natürlichkeit angesagt. Holz in allen Varianten – vom Hochbeet bis zum alten Weinfass – steht ganz oben auf der Liste der belieb
testen Materialien, außerdem angesagt ist Edelstahl, das mit seiner Langlebigkeit ebenfalls gut ins nachhaltige Konzept passt. Und was für die Gefäße gilt, ist bei den Dünge- und Pfanzenschutzmitteln erst recht Pflicht: „Hier ändern sich die Sortimente gerade komplett“, sagt Starkl, „da begreifen einfach immer mehr Kunden, dass man der Natur nichts Gutes damit tut.“

Mehr Natur, weniger Perfektion. Gefragt sind organische Dünger wie Weinmaische, Hornspäne oder Kompost; chemische Keulen wie Blaukorn für den Rasen haben weitgehend ausgedient. Dafür muss auch alles nicht mehr so perfekt aussehen wie noch vor Kurzem, sondern darf durchaus wieder natürlicher und wilder sein. Bei den Accessoires macht sich ebenfalls der „Zurück zur Natur“-Trend bemerkbar. Die Lichterfestspiele des beginnenden LED-Zeitalters haben sich ein wenig beruhigt, absolut im Trend ist dieses Jahr echtes Feuer aller Art. Von der Fackel über den rostigen Feuerkorb bis zur steingefassten Feuerstelle reichen die Optionen, außerdem ortet Starkl eine vermehrte Nachfrage nach Solarlampen, die in ihrem Licht etwas schummriger sind als die klassischen LED-Beleuchtungen. Wobei diese noch immer eine wichtige Rolle in Österreichs Gärten spielen: „Kunstlicht hat nach wie vor einen hohen Stellenwert“, unterstreicht Lederleitner, zumal es in Zeiten der LED-Technologie auch ökologisch vertretbar sei. „Licht macht den Raum auch über die Tageszeit hinaus sichtbar, und das hat auch künftig seine Berechtigung“, ist er überzeugt.

Ein anderer Trend der Vorjahre, der seinen Siegeszug 2015 unangefochten fortsetzen kann, ist der Hang zu Außenküchen aller Art und dem immer wichtiger werdenden Statussymbol Grill, das am besten den Schriftzug namhafter Hersteller gut sichtbar auf dem mächtigen Korpus tragen sollte. Denn bei allen Trends, Entwicklungen und neuen Zugängen zum Garten bleiben zwei Wahrheiten auch heuer unverändert: Die Lufthoheit über das Grillen und den Rasenmäher verteidigt Mann wieder ganz energisch. Entschleunigung hin oder her.

(c) Beigestellt

Termine & Tipps

Für den Gartenkalender

18. April, Fascination of Plants Day:
Am Tag der „Faszination Pflanzen“ der Europäischen Organisation für Pflanzenwissenschaften (EPSO) finden in ganz Europa Veranstaltungen statt, die die Faszination der Pflanzenwelt vermitteln sollen. Die österreichischen Aktionen finden sich unter http://fascinationofplantsday.org/austria.htm

14. – 17. Mai, Frühlingsgartentage auf Schloss Hof:
60 Anbieter zeigen Pflanzen,­  Accessoires, Kunsthandwerk und Keramik, bei der Pflanzentauschbörse gibt es für Gärtner Gelegenheit zum Geben und Nehmen.
www.schlosshof.at

29. – 31. Mai, Salon Jardin, Schloss Hetzendorf:
Drei Tage lang verwandelt sich der Schlosspark wieder in eine Ausstellungsfläche, auf der Pflanzen, Möbel, Textilien und Accessoires für Drinnen und Draußen zu finden sind.
www.salonjardin.at

Werkzeuge & Accessoires

Klassiker I:
Die Geräte des holländischen Herstellers Sneeboer werden seit über 100 Jahren in den Gärten Europas und der Welt gerühmt. Jedes Werkzeug ist ein Unikat, handgearbeitet, -geformt, -gehämmert, -geschweißt oder -geschmiedet. www.sneeboer.com

Klassiker II:
Ebenfalls ein Klassiker für schöne, hochwertige Utensilien rund um den Garten ist der Gartenkatalog von Manufactum. Hier findet sich auch eine Kategorie mit Werkzeugen für Kinder, bei denen zwar die Größe, nicht aber die Qualität der Materialien reduziert ist. www.manufactum.at

Gartenantiqutäten:
Wer den Charme der guten alten Zeit liebt, wird vielleicht beim Gartenkulturversand „Blickfang: Alte Zeiten“ fündig. Hier gibt es neben modernen Gerätschaften zum Schaufeln, Jäten und Graben auch Gartenantiquitäten aller Art. www.blickfang-alte-zeiten.de

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