Salone del Mobile: Design ohne Datum

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Viel Vergangenheit, ein bisschen Zukunft, kaum Gegenwart: Die Möbel haben ihre größte Messe ins Zeitloch mitgerissen. Neues und nicht allzu Neues vom Salone del Mobile.

Wie neu muss man sein? Neuer als neu? Oder genügt auch schon neu, weil „neu aufgelegt“? „Es braucht gute Gründe, um ein neues Produkt zu machen“, sagt die Designerin Hella Jongerius, die als Art-Direktorin schon Unternehmen wie Kvadrat, Vitra und Artek bedient hat.

Und in dieser Funktion auch mit dem Updaten und Aktualisieren von Designklassikern beschäftigt war, vor allem farblich. In diesem Jahr hat Jongerius ihre Ideen gemeinsam mit Loise Schouwenberg per Manifest unter die Leute gebracht: „Beyond the New“ heißt das Pamphlet gegen das Überflüssige. Die „guten Gründe“, die die Designerin beschwört, haben beim Salone del Mobile in Mailand nicht allzu viele Hersteller gefunden. Trotz jener Marktdynamik, die jedes Jahr zu Neuem verpflichtet. Da suchte man gern das Neue im Alten. In den Messehallen jener Stadt, in der sich handwerkliche Traditionen, industrielle Gesinnung und der Anspruch, gut auszusehen und gut aussehen zu lassen, verdichten. „Jedes Zeitalter sollte die Chance haben, sich auch kulturell auszudrücken“, sagt Jongerius. Im Design etwa. Aber die Gegenwart sträubt sich da ein wenig gegen ihren individuellen Ausdruck. Das „2015“ könnte man aus der Erinnerung schön ausradieren, schließlich gehört dem Zeitlosen nicht nur die Vergangenheit, sondern auch die Zukunft. Jahreszahlen blieben nur insofern relevant, als die Möbelhersteller von ihnen diverse Jubiläen ableiten konnten. Molteni feierte den 80. Geburtstag in Mailand mit einer Ausstellung, die Jasper Morrison kuratierte. Artek, finnischen Ursprungs, zelebrierte dasselbe Alter mit Neuauflagen von Alvar Aalto Möbel, die auf 80 Stück limitiert waren. Für Armani Casa waren 40 Jahre Giorgio Armani ein Grund, Ähnliches zu tun: 40 Stück vom Tisch „Justin“ neu aufzulegen.

Walter Knoll, der deutsche Hersteller aus dem Schwarzwald, in diesem Jahr selbst 150 Jahre alt geworden, ließ noch einen Stuhl aus der Vergangenheit hochleben: Meinhard von Gerkan hatte ihn 1975, vor 40 Jahren, für die VIP-Lounge des Berliner Flughafens Tegel entworfen. Jetzt darf der „Berlin Chair“ auch im Wohnzimmer landen. Living Divani schickte den „Frog Chair“ von Piero Lissoni, inzwischen auch schon 20 Jahre alt, mit neuen Materialien, etwa Kohlefaser und Kunststoffgeflecht ins Rennen um die Aufmerksamkeit der Messebesucher.Auch Cassina wartete mit einer jubiläumsgetriebenen Kollektion auf, die ihre Referenzpunkte in der Vergangenheit suchte, bei Le Corbusier, der vor 50    Jahren verstorben ist. Jaime Hayon entwarf eine Reaktion, genauer eine „Réaction Poétique Collection“ aus Objekten, die man gern auch als Tische sehen kann. Leben lassen und vor allem hochleben lassen hat Alessi die „Juicy Salif“ von Philippe Starck im Showroom in der Innenstadt: 25  Jahre steht die Zitruspresse in den Küchenregalen. Und noch ein Geburtstag manifestierte sich deutlich, ein wirklich runder diesmal: Tappio Wirkala wäre 100 geworden. Artek spendete diesem Anlass eine neue Edition, aber auch Poltrona Frau, mit dem Tisch „Bird“.

Sonst wandelte die Designbranche in den Messehallen zwischen den Stühlen: „Everyday“-Chair heißt ein Entwurf des Labels Modus. Symptomatisch für Zeiten, in denen sich Hersteller und Designer gestalterisch nicht mehr deklarieren wollen, ob Arbeit oder Freizeit, ob chic oder leger, und vor allem nicht auf ein Gestern, Heute oder Übermorgen festnageln lassen wollen.

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