Kultur mit Langzeitfolgen

„Kulturhauptstadt 2024“. Eine Ausstellung tingelt durch Österreich.
„Kulturhauptstadt 2024“. Eine Ausstellung tingelt durch Österreich.(c) Beigestellt
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2024 stellt Österreich wieder eine Kulturhauptstadt. Die Architekten und Städteplaner der Zukunft greifen schon mal vor.

Was bleibt? Olympische Spiele haben meist oft ein Nachspiel auf dem Flohmarkt: Schlüsselanhänger mit Maskottchen. Manche Rieseninvestition eines Riesenevents hat dagegen gar kein Nachleben. Großereignisse im urbanen Raum werfen eher Schatten voraus, statt bleibende Effekte nach sich zu ziehen. Zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung. Dabei sind viele positive Langzeitfolgen für die Städte schlicht nicht so einfach abzubilden wie vorausgeworfene Schatten. Oder Inseln, die plötzlich in der Mur schwimmen. Oder Museen, die plötzlich am Flussufer stehen. Auch beim Titel „Europäische Kulturhauptstadt“ wurden die Effekte bislang kaum ausreichend evaluiert, meint etwa Elisabeth Leitner vom Institut für Städtebau an der Technischen Universität Wien. Die Spuren in Städten wie Linz oder Graz zeigen sich oft erst Jahre danach, auch in Form von selbstbewussten kreativen Communities und Milieus, in denen Stadtentwicklung plötzlich ganz eigene, selbstbestimmte Wege geht: Auch in Graz sind Ereignisse wie der jährliche „Lendwirbel“ wahrscheinlicher geworden, seitdem man als Kulturhauptstadt zeigen durfte, was man kann.

Linz 2009. Auch die Stahlstadt hat sich als Kulturstadt illuminiert.
Linz 2009. Auch die Stahlstadt hat sich als Kulturstadt illuminiert.(c) Linz Tourismus

Die Auswirkungen einer Kulturhaupstadt zeigen sich zwar oft verzögert. Trotzdem sollte man mit dem Vorausschauen früh genug anfangen. Wenn man Elisabeth Leitner zuhört, weiß man, dass es schon jetzt an der Zeit ist, an 2024 zu denken. Denn dann stellt Österreich bereits zum dritten Mal eine Kulturhauptstadt: „Sechs Jahre davor soll der nationale Wettbewerb und die Jurierung der Einreichungen über die Bühne gehen“, erzählt Leitner. 2018 also. Bleiben nur noch zwei Jahre Zeit, um zu diskutieren, Ansätze zu entwickeln und wieder zu verwerfen, Szenarien auszumalen, Überzeugungs-, Mobilisierungs- und Lobbyingarbeit zu leisten. Noch bevor sich für manche Stadt oder Region in Österreich richtungsweisend entscheiden könnte, wie sie sich entwickelt – und das nicht nur städtebaulich, architektonisch oder touristisch. Elisabeth Leitner hat ihre Dissertation zum Thema: „Stadtbaukultur durch Kulturhauptstadt“ verfasst. Im Vorjahr beschloss sie, rechtzeitig den Anstoß zu geben, um erste Anstöße einzuholen: Und diese lieferten 100 Studierende in 18 transuniversitären Projektgruppen ab, einer gemeinsamen österreichweit abgehaltenen Lehrveranstaltung. Ihre Anregungen, Konzepte und Strategien für die Kulturhauptstadt 2024 verorteten die Studierenden quer durch Österreich – vom Rheintal bis ins Burgenland.

Überbleibsel. Die Murinsel von Vito Acconci gemahnt an Graz 2003.
Überbleibsel. Die Murinsel von Vito Acconci gemahnt an Graz 2003.(c) Graz Tourismus / Harry Schiffer

Stadt, Land, Fluss. Manche Gedanken- und Entwurfslinien zogen sich bis ins Salzkammergut, manche überwanden politische und topografische Grenzen, den Brenner, die Karawanken, den einstigen Eisernen Vorhang. Manche Gedankenströme folgten der Mur und der demografischen Entwicklung entlang ihrer Ufer, andere dem Drautal mit Villach als Zentrum einer Kulturhauptstadtregion. Andere Konzepte hielten sich am transformatorischen Potenzial fest: So wie sich etwa Liverpool und auch Städte wie Linz inhaltlich neu definieren durften, neben ihrer Wahrnehmung als Industriestadt, so könnte es auch Eisenerz gelingen, neben Rohstoff aus dem Berg noch ganz andere kulturelle Ressourcen aus der Region anzuzapfen. Die Ergebnisse wurden auf Schautafeln plakativ visualisiert – und tingeln seitdem als Wanderausstellung durch Österreich, die nächste Station ist das Architekturhaus Kärnten in Klagenfurt. Im Internet sind die Resultate hingegen als Diskussionsplattform fix verortet (www.kulturhauptstadt2024.at).

Impuls. Elisabeth Leitner betreut das Projekt, siehe Kulturhauptstadt2024.at
Impuls. Elisabeth Leitner betreut das Projekt, siehe Kulturhauptstadt2024.at(c) Norbert Philipp

Die griechische Kulturministerin Melina Mercouri initiierte Anfang der 1990er-Jahre den Titel der „Europäischen Kulturhauptstadt“, der Auswahlmodus hat sich inzwischen geändert, Rotationsrunden bestimmen, wer an die Reihe kommt. Neue Mitgliedstaaten dürfen jeweils bereits in der Runde teilnehmen – deshalb ist Österreich bald schon zum dritten Mal dran. In diesem Jahr sind es Breslau und San Sebastián, im nächsten Jahr Aarhus und Paphos. Das nationale Interesse europaweit, die Kulturhauptstadt zu stellen, sei durchwegs groß, sagt Leitner: „Allein in Italien haben sich für das Jahr 2019 20 Städte beworben.“ Geworden ist es schließlich Mantera mit 60.000 Einwohnern. Viel größer sind die meisten möglichen Kandidatenstädte Österreichs auch nicht.

Tipp

Nächste Station. Vom 7. 3. bis 23. 3. ist die Ausstellung „Kulturhauptstadt 2024“ im Architekturhaus Kärnten in Klagenfurt zu sehen.

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