Deutsche Tugend: Rolf Sachs in Köln

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Bierbank, Pendel, Gartenzwerg: Der Designer Rolf Sachs hat „deutsche Eigenschaften“ in Objekte aus Bronze, Keramik und Kohle gegossen.

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Jemanden abzustempeln könnte mit diesem Objekt noch viel leichter fallen. „Amtsschimmel“ hat es sein Urheber, Rolf Sachs, genannt. Ein Synonym für die Bürokratie. Der übergroße Stempelhalter hält einiges bereit an Klischees und Eigenschaften, die man gern den Deutschen sprichwörtlich „aufzudrücken“ versucht. Die Spießigkeit, die Anmut, die Gemütlichkeit gehören dazu. Aber auch „Himmel, Arsch und Zwirn“. Der Künstler und Designer hat für seine aktuelle Ausstellung im Kölner Museum für Angewandte Kunst (MAKK) etliche Eigenschaften als typisch deutsch abgestempelt und in Objekten sowie Installationen versinnbildlicht. „Typisch deutsch?“, so heißt auch die Ausstellung. Doch ein Fragezeichen macht klar: Nicht alles ist so in Bronze gegossen, in Marmor gehauen und in Holz verewigt wie die Dinge, die da vor den Besuchern stehen und hängen. Man darf sich wiederfinden oder nicht. Man darf darin das Deutsche erkennen oder nicht. Man darf natürlich infrage stellen. Aber man darf auch schmunzeln. Oder hämisch grinsen. Während man von der Schwermut über die Wanderlust zum Fleiß trottet. „Die meisten Objekte kann man von verschiedensten Seiten betrachten“, meint Sachs.

Den „Fleiß“ sieht Sachs als dunkelgrauen Gartenzwerg aus Quarzkohle, der stramm steht für die Bergarbeit und die Spießigkeit. Auch die deutsche Autobahn ist Objekt geworden, ein „Ausfahrt“-Schild wurde zum Tisch. Daneben hängt eine Füllfeder über einem kleinen Wasserbecken. Alle dreißig Sekunden tropft Tinte hinein. Strenge und Ordnung der deutschen Reformation zerrinnen, zerstäuben, zerfließen im Wasser zur Abenteuerlust und Sehnsucht. Eine Installation, die sich auf die deutsche Romantik bezieht.

Typisch Europa. „Ich fühle mich als Europäer“, erzählt Sachs bei einem Rundgang durch die Ausstellung. Dabei blieb ihm ja fast nichts anderes übrig. In der Schweiz ist er geboren, sein Vater war Deutscher, seine Mutter Französin. In London lebt er jetzt mit seiner iranischen Frau. Ein paar Jahre in Deutschland – in den prägendsten Jahren, „zwischen drei und acht“, habe er bei seiner Großmutter in Deutschland gelebt, erzählt Sachs. Genügend Zeit, um auch die deutschen Eigenschaften richtig zu verstehen und zu inkorporieren. „Ich könnte so eine Ausstellung zum Beispiel nicht über England machen“, sagt Sachs, „diese Dinge muss man unter der Haut und den Fingernägeln haben.“

Als Kind nimmt man die Eigenschaften am besten an, auch jene, die so typisch deutsch zu sein scheinen, dass ihre Wörter sogar Karriere im internationalen Wortschatz machen. Die „Schadenfreude“ gehört dazu. Ein riesiges „Mensch ärgere Dich nicht“-Spielbrett hängt als Teppich an der Wand. Das Wort „Wanderlust“ ist ebenfalls gewandert. Vom Deutschen ins Englische. Eine von den drei Sprachen, auch neben dem Französischen, in der sich Rolf Sachs wohlfühlt, wie er meint. Im Kölner MAKK symbolisiert die Wanderlust ein Wanderstock, aus Kastanienholz, darauf eine Stocknägelsammlung der beliebtesten Reiseziele der Deutschen von Phuket bis Mallorca. Und wenn sie nicht reisen, dann sitzen sie trotzdem beisammen: auf der Bierbank.

Subjektiver Zugang. „Ich deute gern archaische Objekte in einer anderen Materialität um“, sagt Sachs. Das Objekt, das zuerst im Baumarkt, dann in deutschen Schrebergärten steht, hat Sachs in Bronze gießen lassen, die „Geselligkeit“. „Wenn man davor steht, entfaltet sich eine ganze Assoziationskette“, so Sachs. Auch das Objekt „Die/das Maß“ könnte daran erinnern oder mahnen. Sachs hat den Maßkrug auf sein Siebenfaches vergrößert und aus Nymphenburger Biskuitporzellan herstellen lassen.  „Europa hat ja ein großes Glück: diese Vielfalt an Eigenschaften, Charakteristika, Traditionen auf engem Raum zu haben“, sagt Sachs. Zu jenen, die gemeinhin als deutsch gelten, zählt laut Sachs auch die Genauigkeit: Vom Dach des Museums hängt ein Lot an einem dünnen Faden. „Mir hat ein Professor erzählt, dass man im Kölner Dom Experimente mit dem Foucault’schen Pendel gemacht hat.“

„Was mich vor allem fasziniert hat bei der Vorarbeit, ist die Frage, woher diese Eigenschaften herrühren“, sagt Sachs. Die Reformation, denkt er, könnte dabei eine nicht unwesentliche Rolle gespielt haben. „Da ging es ja auch um die Tugendhaftigkeit, darum, hart und gut zu arbeiten, Zucht und Ordnung. Und vor allem auch um Konformität.“ Manche deutschen Eigenschaften würden sich auch schon in der streng komponierten Sprache ausdrücken. In eine andere Varietät zu wechseln verändere schon die Kommunikation: „Ich spreche sehr gern Schwyzer Dütsch. Obwohl mir man den Akzent sehr wohl anhört. Aber es hat so etwas Brüderliches, etwas viel Leichteres als Hochdeutsch.“

Tipp

Rolf Sachs „Typisch deutsch?“ Eine Auseinandersetzung mit Klischees und Eigenschaften. Die Ausstellung ist noch bis 21. April im Museum für Angewandte Kunst Köln zu sehen.

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