Manel Molina: Nimm Platz in der Zwischenwelt

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Das spanische Designstudio Lievore Altherr Molina kämpft gestalterisch gegen visuellen Lärm. Manel Molina erzählt, warum auch Büromöbeln der formale Flüsterton gut steht.

Quer durch die Möbel- und Designlandschaft, von Herstellern wie Arketipo bis Verzelloni, hat das spanische Designstudio schon seine Namens-Trias hinterlassen: Lievore Altherr Molina, zwei Herren und in der Mitte eine Dame, sind schon 1991 zu einem Designstudio in Barcelona zusammengewachsen. In den vergangenen Jahren fühlten sie sich gestalterisch auch in den Zwischenwelten zu Hause, in denen die Möbelhersteller jetzt regelmäßig ihre Neuheiten platzieren: im Niemands- oder eher Jedermannsland, in dem die Grenzen von Arbeit und Freizeit verwässern und verschwimmen. Die Arbeit zieht zu Hause ein, das Freizeitleben klopft in den Büros an die Tür. Stühle, die auch gut zum Esstisch gepasst hätten, stehen nun in Zonen, die fast aufdringlich locker und informell gestaltet sind. Damit sie dort vor allem eines bewirken: mehr Produktivität pro Sesselbein. Der amerikanische Hersteller Coalesse versucht gerade, auch seine Sesselbeine in die Bürotüren zu bekommen. Auch mit der „Sixfivezero“-Kollektion von Stühlen, Hockern und Sitzecken. Designer Manel Molina erklärt im Gespräch mit dem „Schaufenster“, warum gerade auch diese Cross-over-Möbel sind.

Schon Business-Meeting oder noch informelles Beisammensein? Man weiß es nicht. Wie reagiert das Design auf das Verschwimmen der Grenzen?
Möbel bringen auch emotionalen Komfort in die Arbeitswelten, sie unterstützen nicht nur die Funktionalität des Arbeitens. Coalesse, für die wir zum ersten Mal arbeiten, versteht sich ja als Marke, die durchaus Wohn-Appeal und emotionale Komponenten in die Office-Sphäre miteinbringen will. Diese Möbel sind gedacht für die Zwischenwelten, in denen die sozialen Beziehungen im Vordergrund stehen. Die Möbel fördern die Entspannung, aber in einer Form, die auch die Konzentration auf die Arbeit erlaubt. Unsere Prinzipien überschneiden sich mit jenen von Coalesse: Wir forcieren auch – auf Spanisch heißt es – „transversalidad“, wir würden vielleicht sagen Cross-over-Möbel, also Möbel, die von einer Welt in die andere wandeln.

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Die Möbel sollen also auch Beziehungen anbahnen zwischen den Menschen. Doch wie passt so etwas in ein Umfeld, in dem es vor allem um Produktivität geht?
All diese Möbel haben vor allem einen Zweck: Sie sollen die Dinge einfacher machen. Wir möchten Möbel machen, die sich den Menschen schnell erschließen, die leicht und intuitiv lesbar und schließlich auch nutzbar sind. Also Möbel, die man schnell versteht. Nur wenn sie sich intuitiv erschließen, traut man sich auch, sie zu benutzen. Das Ziel von Coalesse ist es, sich als amerikanisches Unternehmen, das von einem sehr pragmatisch orientierten Markt kommt, in Europa zu etablieren. Hier funktioniert es anders. Der Markt hier verträgt auch ein wenig Poesie.

Die Möbel im Büro sind also nicht mehr nur die ergonomischen Sitzmaschinen?
Wir arbeiten als Designer sehr intuitiv. Unsere Entwürfe sind Vorschläge, die wir vor allem erst mal gefühlt haben, die weniger wissenschaftlich begründet sind. Wir wollten Stühle und Hocker machen, die einfach sind, nachhaltig und ökonomisch. Aus Holz und Metall. Trotzdem sollten sie einen Hauch von Ikonizität haben.

War die formale Zurückhaltung eine der Gestaltungsmaximen?
Der „Sixfivezero“ ist sicher kein Möbel, das schreit. Eher flüstert es. Trotzdem hat es eine Präsenz und macht eine ikonische Geste. In diesem Fall sorgt die Rückenlehne dafür. Sie hat eine anthropomorphe Form, zeichnet die Silhouette einer Person nach, die auf dem Stuhl Platz nimmt.

Überall scheinen gerade Möbelkonzepte aufzupoppen, die universell einsetzbar sein sollen. Was steckt Ihrer Meinung nach dahinter?
Das ist ganz einfach eine Reaktion auf den Trend zu Social Spaces. Menschen brauchen und suchen diese Begegnungszonen, also technologiefreie Bereiche, die der informellen Kommunikation gewidmet sind. Diese Möbel bieten den Menschen die Möglichkeit, ins Gespräch zu kommen. Aber nicht nur im Büro, auch in öffentlichen Gebäuden, wie etwa Museen oder Bibliotheken. Eines ist in jedem Fall wichtig: der Sitzkomfort. Denn wenn man komfortabel sitzt, fließen die Gespräche und auch die Ideen besser. Es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass Innovationen nur dann möglich sind, wenn Menschen tatsächlich an physischen Orten zusammenkommen.

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Sie als Designer sind Teil der Creative Class. Es scheint, als würde gerade Sie überall anders lieber arbeiten als im klassischen Büro.
Manchmal treibt die Bürogestaltung ja wirklich auch seltsame Blüten. Solche Konzepte, wie man sie von den Google Offices kennt, machen mir fast ein wenig Angst. Extreme finde ich immer schlecht. Man sollte schon ein wenig die Balance einhalten, ein Büro sollte nicht sein wie das Zuhause. Sonst will man ja gar nicht mehr nach Hause. Und das wäre schlecht für die Gesundheit. Man muss unterscheiden, was Arbeiten ist, und was Freizeit. Die Gestaltung und Möblierung hängt natürlich von der jeweiligen Kultur ab, aber auch von der Unternehmenskultur, ob es sich nun um eine Bank aus Luxemburg handelt oder ein Internetunternehmen aus Kalifornien.

Man sagt, im Norden – in Skandinavien etwa – seien die Bürokonzepte noch offener. Wie sieht das dagegen im Süden aus? In Spanien?
Im Süden, also auch in Spanien, agiert man zwischenmenschlich oft auch sehr implizit. Im Büro herrscht schon zum Teil ein starker Formalismus, das hängt natürlich auch von der Branche ab. Doch obwohl es ein Klischee ist, ist die Business-Kommunikation informeller als im Norden. Es gehört ebenso dazu, sich auch einmal auf privater Ebene, in sozialen Kontexten zu treffen, beim gemeinsamen Essen etwa. Die soziale Ebene ist im Süden meist schon ein selbstverständlicher Teil des Business.

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