Jasper Morrison: Ungewöhnlich gewöhnlich

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Das Normale ist ganz besonders. Designer Jasper Morrison destilliert aus dem Alltäglichen oft unentdeckte Qualitäten.

Das Geniale hat oft so eine lässige Selbstverständlichkeit, so eine Attitüde, als wären Form und Funktion aus dem Ärmel geschüttelt worden, nicht erst nach Wochen im Labor oder in der Werkstatt mühsam zusammengebastelt. Und das Schöne daran: Das Geniale umgibt uns, durchdringt den Alltag. Man muss es nur zu entdecken wissen. Der britische Designer Jasper Morrison weiß, wie man es aufspürt: aufmerksam sein, genau hinschauen. In den ganz alltäglichen Dingen, meint Morrison, stecken reichlich gestalterische Werte. Wenn man diese erkennt und analysiert, warum sie so erfolgreich sind, lassen sich diese Qualitäten genauso erfolgreich auf neue Entwürfen umlegen.

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Den Dingen auf den Grund zu gehen war schon immer eine der Lieblingsdisziplinen des Querdenkers Jasper Morrison. Er mag die Genialität im Stillen, die Objekte, die so einfach und dabei ästhetisch funktionieren, dass man denkt, dass man sie gar nicht anders hätte erfinden können. „Supernormal“ ist für Morrison ein Qualitätsmerkmal. Schon 2006 hat er gemeinsam mit dem japanischen Designer Naoto Fukasawa das Manifest dazu niedergeschrieben und Dutzende Anschauungsobjekte unter jenem Titel ausgestellt: Die zum Teil anonym geschaffenen, diskreten, selbstverständlichen Dinge, die den Alltag der Menschen prägen. Das kann genauso der berühmte Bialetti-Espresso-Kocher wie der banalste Gemüseschäler sein.

Wahrnehmung. „Sensations of the Ordinary“ war der Untertitel der Ausstellung in Japan damals. Später folgten die „Perceptions of the Ordinary“, 34 Bilder – aufgenommen mit dem Handy oder der Kompaktkamera –, die er in dem Band „The Good Life“ zusammenfasste (erschienen bei Lars Müller Publishing). Auf der Suche nach der guten Idee stellte er die Brennweite auf ganz nah: Egal, ob in Schaufenstern, oder dort, wo Menschen ihre Straßen selbst gestalten – immer wieder fand er Muster und Motive, die an verschiedenen Orten wiederkehrten. Und vor allem in sich so schlüssig naheliegend waren – einfach gute Lösungen von Alltagsproblemen: etwa, wie man in Indien aus alten Baumstämmen Blumentöpfe macht. Oder Leuchten aus leeren PET-Flaschen. Im genialen Auge des Betrachters ist das Normale und Banale gänzlich frei von negativer Konnotation.

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Die Objekte und Produkte, die Jasper Morrison in seiner Karriere selbst gestaltet hat, haben sich auch nie dadurch hervorgetan, ästhetisch ausgefallen zu sein. Lieber hielt sich der Designer an eine ganz innere Logik der Dinge. Oder auch an Beobachtungen, die er gemacht hat. In dem Buch „The Book of Things“ (ebenfalls bei Lars Müller Publishing erschienen) liefert er eine Werkschau, die er selbst fast salopp quasi als stummer Off-Sprecher kommentiert. Da erzählt er etwa davon, wie er in Wien im Schanigarten eines Kaffeehauses gesessen ist, der Tisch einen Schatten auf den Boden geworfen hat und ihm so die Idee für die Gestaltung eines Tischbeins gekommen ist. Durch den Schatten ist es oben dicker als auf dem Boden erschienen, eine Illusion des Lichts, aus der Hersteller Alias einen Tisch gefertigt hat: das Atlas-System.

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Ob Spiegel, Telefon, Wecker, Stuhl, Sofa: Jasper Morrison erzählt im Plauderton wie selbstverständlich ihre Genese. Im Designerleben passieren eben solche Dinge wie: die alten Weinkorken zu Tischen für Vitra pressen; im Basel-Chair, der in Deutschland FrankfurtStuhl heißt, Holz und Plastik miteinander verbinden; im Lieblingsrestaurant sitzen und sich Gedanken über die Industrieleuchten machen; im Handwerkshop in Tokio über neue Gestaltungsideen stolpern. Ganz normaler Alltag eben.

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